Rezension

Pure Reason Revolution
Amor Vincit Omnia
Highlights: Deus Ex Machina // Victorious Cupid // Les Malheurs
Genre: Elektro-Progressive-Rock
Sounds Like: Porcupine Tree // Pink Floyd // Depeche Mode // Kraftwerk // Console
VÖ: 06.03.2009

„Amor Vincit Omnia“ – so lautet der Titel des zweiten Albums der Amerikaner Pure Reason Revolution. Ins Lateinische haben sie den Spruch „Liebe besiegt alles“ übersetzt, eine Sprache, deren Lebendigkeit höchstens noch von Ärzten gepflegt wird. Dabei lauert gerade hier eine altbekannte Falle des Genres, dem Pure Reason Revolution bislang angehörten: Progressive Rock. Gerade diesem werfen Kritiker – bisweilen durchaus zurecht - immer wieder vor, nur noch gekünstelte, leblose Musik zu konstruieren, deren einzige Ausrichtung darin besteht, möglichst lange, komplizierte Gitarrensoli zu schaffen. Sollte also nun auch Pure Reason Revolution das musikalische Lebenselixier ausgegangen sein, obgleich das Vorgängeralbum „The Dark Third“ vor Spiel- und Lebensfreude geradezu explodierte? Sollte solch ein Niedergang eingetreten sein, bei der Band, die Steven Wilsons Weichspülpop-Nebenband Blackfield als Support wie nichts an die Wand spielte?
Das Cover lässt bereits auf Schlimmes schließen. Die fleischfarbenen per Photoshop zusammengewürfelten Objekte auf und innerhalb der Hülle, deren genaue Deutung sich auch beim zigten Hinsehen nicht erschließt – ist es ein Herz, Schild, Wurzeln oder einfach nur verschwurbeltes Nichts - sehen aus, wie von einem Informatik-Wahlfach-Schüler aus der 9. Klasse zusammengesetzt, dessen Programmversion ungefähr aus dem Jahre 1997 stammt. Und das, obwohl doch Bassistin und Sängerin Chloe Alper nach eigener Auskunft angeblich auch eine visuelle Ader haben soll. Das Auge hört ja bekanntlich mit.
Wer sich vom Cover allein nicht verschrecken lässt, beziehungsweise so altmodische Dinge wie Compact-Discs gar nicht mehr sein eigen nennt, sondern lediglich auf den zusammengequetschten Sound, den diverse legale Internetmusikanbieter feilbieten, steht, könnte sich nun damit befassen, was das progressive Quartett denn wirklich zu bieten hat auf „Amor Vincit Omnia“. Wer „The Dark Third“ kennt, wird sich an den ersten Stücken wie „Les Malheurs“ oder dem schon länger im Internet erhältlich gewesenen „Victorious Cupid“ erfreuen, denn diese machen genau mit der gleichen Art von Musik weiter, mit der das Letztwerk beendet wurde. Pink-Floyd-lastige Keyboard- und Gitarrensounds, mehrstimmiger Gesang, ein bisschen unschuldige Sixties hier, ein bisschen verkopfte Seventies da. Okay, der Einsatz der Keyboards hat vielleicht ein wenig zugenommen. Aber alles im Rahmen.
„Apogee“ geht von diesem Sound ein wenig ab, ohne jedoch aus Sichtweite zu geraten. „Deus Ex Machina“ jedoch bricht völlig unerwartet über den Hörer hinein, der stampfende Elektrobrecher klingt wie ein Mix aus den Nine-Inch-Nails-Alben „The Downward Spiral“ und „Year Zero“. So etwas war wohl kaum von einer Fast-Hippie-Band zu erwarten. Schade nur, das die Schwere dieses Stückes sehr abrupt im nächsten Stück ein Ende findet, das nach sehr gruselig verstrahlten 80er Jahre Duran-Duran oder schlimmeren Adaptionen klingt. Immerhin ist die Band ehrlich und gibt dem Lied gleich den Titel „Bloodless“. Spätestens hier hätte „Amor Vincit Omnia“ vorbei sein können und hätte als sehr gute EP sicherlich viele der Fans, die Pure Reason Revolution hat, zufriedengestellt.
Leider ist dies nicht der Fall. Konsequent verirrt man sich nun in diversen elektronischen Spielereien. „Disconnect“ beispielsweise kombiniert den Minimalismus Kraftwerks mit künstlich verzerrten Gesängen und Keyboardplänkeleien von Bands wie Console. Während man eben genannte jedoch durchaus hören kann, wirkt dieser Versuch bei Pure Reason Revolution nur nervtötend. Darauf folgt das neunminütige „The Gloaming“, das 7/9tel der Zeit nur vor sich hin plätschert und in den letzten zwei Minuten noch versucht, in den hippen Elektroclub reinzukommen, der aber bereits seit Stunden überfüllt ist. Auch die Depeche-Mode-Party auf der anderen Straßenseite gewährte keinen Eintritt, obgleich „AVO“ sich wirklich bemüht, eben danach zu klingen. Man hätte den um Einlass bittenden vielleicht vorher sagen sollen, das farbenfroh-buntes „Liebe-besiegt-alles“-Hippietum in solchen Kreisen eher belächelt wird. Dennoch, vor allem durch die starke erste Hälfte, kann man „Amor Vincit Omnia“ durchaus eine gute Wertung zusprechen.
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