Rezension

Perfume Genius

Put Your Back N 2 It


Highlights: No Tear // 17 // Dirge // Hood
Genre: Singer/Songwriter // Art-Pop
Sounds Like: Chris Garneau // Antony & The Johnsons // The Irrepressibles // Maximilian Hecker

VÖ: 17.02.2012

Shame on you, Youtube! Nach gefühlten dreißig Video-Verbrechen von Lady Gaga gegen die menschliche Sittenhaftigkeit weigert ihr euch zuerst, den neuen Clip zu Perfume Genius’ „Hood“ auf eurer Seite hochladen zu lassen und begründet das dann auch noch damit, die Bilder seien „familienfeindlich“? Weil Mike Hadreas halbnackt ein wenig mit einem imposant gebauten männlichen Porno-Darsteller rumknuddelt und das auch noch offensichtlich mit gleich vier zwinkernden Augen? Homosexualität scheint im Web 2.0 immer noch nicht überall richtig angekommen zu sein. Traurig.

In der Musik hat man sich Gott sei Dank nie groß darum geschert, schließlich geht es da in erster Linie um die Songs und abseits des Mainstreams eigentlich sogar um nichts anderes. Und bereits mit seinem Debüt „Learning“ machte Perfume Genius hier auf sich aufmerksam. Ein Album voll stiller Schönheit, aber auch voll bitteren Schmerzes. Damals entstanden während einer selbst auferlegten Isolationsphase in der Wohnung seiner Mutter, nachdem Hadreas eine sehr traumatische und selbstzerstörerische Phase durchlebt hatte.

Wenn man sich nun „Put Your Back N2 It“ so anhört, scheint es dem so zerbrechlichen Mann auf den ersten Blick nicht unbedingt besser zu gehen. Seine Songs werden weiterhin von dieser fast schon bedrückenden Intimität dominiert, die Mike Hadreas zum einen durch die reduzierte Instrumentierung mit Klavier und Akustikgitarre erzeugt; zum anderen trägt aber natürlich auch seine sehr einfühlsame Stimme einen großen Teil dazu bei, dass die recht kurzen Stücke buchstäblich zum Weinen schön sind. Nur ab und zu wird die Tür einen Spalt breit geöffnet, um Schlagwerk oder Streicher für einen kurzen Besuch hereinzulassen.

Beschäftigt man sich aber erst mal mit den Texten, wird schnell klar, dass „Put Your Back N 2 It“ mehr ist als ein weiterer persönlicher Seelen-Striptease des Songwriters aus Seattle. Die Themen sind wesentlich universeller angelegt. „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich mehr durchgemacht als andere Menschen. Jeder hat etwas durchzustehen“, sagt Hadreas dazu. Recht hat er und somit wird sich der eine oder andere sogar noch mehr in der Musik und den Lyrics wiederfinden. Auf eine ergreifende halbe Stunde darf man sich allerdings in jedem Fall gefasst machen. Oder wie vollpubertierende Halbstarke sagen würden: ganz schön schwul.

Benjamin Köhler

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