Rezension

Marsimoto

Zu Zweit Allein


Highlights: 21 Jumpstreet // LMS // Ausgesetzt // Mein Dad ist Hip Hop
Genre: Hip Hop
Sounds Like: Dizzee Rascal // Quasimoto // Prinz Pi

VÖ: 17.10.2008

Man könnte stundenlange Diskussionen über die Zukunft des Deutschrap führen, deren Ergebnis dann in einem Manifest gegen die Amerikanisierung der hiesigen Hip Hop-Szene zusammengefasst werden würde. Oder man könnte sich einfach mal den künstlerischen Output von Marten Laciny zu Gemüte führen und erleichtert fragen: warum eigentlich nicht früher?

Während in Hip Hop-Deutschland die einen ihre Hochhaus-Ghettoromantik in immer gleiche Soundgewänder und Beatpatterns packen, die jährlich in unzähligen Veröffentlichungen unter das nach Rhymes lechzende Volk gebracht werden und sich andere komplett vom Genre abwenden, um wahlweise in Funk oder Elektrotrash zu machen, stellt sich der gebürtige Rostocker der Herausforderung und füllt exakt die Nische zwischen Studentenrap und dem allgegenwärtigen Dunstkreis von Bushido, Fler, King Orgasmus und Co., ohne beides je kategorisch abzulehnen - wovon seine Features Zeugnis ablegen. Ohnehin die Collabs: zusammengearbeitet wird mit Deichkind, Miss Platnum, Olli Banjo, Ferris und Sido, die Beats steuern Dead Rabbit, Robot Koch und Flashgordon bei und sorgen für eine unüberhörbare Nähe zum Dubstep. Die Synthies wabern, der Bass knarzt und brummt - mal aufgeregt treibend, mal als sanftes Beet für den stimmlichen Wechsel zwischen gepitchter (Marsimoto) und basslastiger (Marteria) Wortakrobatik und die thematische Vielfalt der Lyrics.

Nicht nur das Doppel zwischen Marteria und seinem verkifften Alter Ego Marsimoto schafft Vielschichtigkeit, sondern vor allem die verschiedenen Blickwinkel, die, mal aus Sicht eines ausgesetzen Hundes, mal aus Sicht eines abartigen Stalkers, der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Auch die Popkultur kommt nicht zu kurz und findet ihren Höhepunkt im Referenz-Dropping „21 Jump Street“. Zusammen mit Banjo will er uns weismachen: Kris Kross sind unter der Erde, now // Motorradunfall, Helme verkehrt rum auf und man hat schlagartig das Gefühl, dass gar nicht klüger und humorvoller über (einen längst verdorrten Ast der) Popkultur gereimt werden kann.

Ein gelungener Abschluss für ein Album, das dem Hip-Hop hierzulande wieder ein neues Gesicht zu vergeben mag, ist die als ironisch reflektierender Diss gegen die deutsche Rappergilde (inklusive sich selbst) verpackte Ode an das Genre. Jetzt sitz`ich hier // voll auf Drogen und essgestört // Sam du bist Schuld // wegen dir hab` ich angefangen Rap zu hör`n, heißt es da und man weiß nach Genuss dieser Platte irgendwie genau, wie er das meint.

Marsimoto gelingt ein etwas besserer Nachfolger zum Erstling „Halloziehnation“, dem vor allem die thematische Vielfalt ohne den Deckmantel des Kiffer-Klischees gut tut. Das Abstreifen und nicht „Vermarkten“ jenes Klischees war der absolut richtige, wenn auch überraschende Schritt, wie er im Intro selbst klarmacht. Hierdurch wird seine Wortgewalt noch prägnanter und die subtil reflektierenden, oft ironisch-gebrochenen, Statements seiner Lyrics noch glaubwürdiger.

Und zum eben erwähnten hypothetischen Manifest hat Marsimoto nicht nur indirekt über die Platte selbst, sondern auch direkt die passende Antwort parat:
Hip Hop ist dead? Mein Dad ist Hip Hop

Andreas Peters

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