Rezension
Mark Berube
June In Siberia
Highlights: Let Me Go // My Me Lady // Siberia
Genre: Singer-Songwriter // Kammerfolk
Sounds Like: Leonard Cohen // Dan Mangan // Sophie Hunger
VÖ: 17.08.2012
Manchmal ist das Leben ganz schön ungerecht. Zum Beispiel, wenn vier famose Alben und unzählige Touren durch Nordamerika und Europa einfach nicht genügen, um sich als Künstler einen Namen zu machen. Im Fall von Mark Berube ist das umso bedauernswerter, zumal der Kanadier einer ganz besonderen und zunehmend schwindenden Spezies der Singer/Songwriter angehört: jener nämlich, die ganz ohne ihren sprichwörtlich besten Freund, die Gitarre, auskommt. So gibt auf „June in Siberia“, seinem neuesten und erstmals auch hierzulande erscheinenden Werk, vielmehr das Piano – mal pochend, mal perlend, mal völlig verträumt – den Ton an, während Cello, Akkordeon und purzelnde Percussion im Schlepptau immer wieder ein latentes Gypsy-Feeling versprühen.
Letzteres rührt wohl vor allem von Berubes langjährigem Nomadendasein, war er doch schon vor seiner Karriere als unermüdlich tourender Musiker ganz schön in der Weltgeschichte unterwegs. Der in der kanadischen Prärie von Manitoba geborene Singer/Songwriter verbrachte nämlich einen Großteil seiner Kindheit im Swasiland. Das kleine Königreich im Süden Afrikas prägte dabei nicht nur hörbar seine Vorliebe für afrikanische Rhythmen, wie sie einem beispielsweise in „My Me Lady“ begegnen und zunehmend Feuer unterm Hintern machen, sondern auch sein politisches Bewusstsein. So landete er mehrere Jahre später während seiner Zeit in Vancouver auch in der Spoken-Word-Folkmusiker-Truppe The Fugitives, mit welcher er neben dem innigen Wunsch nach Wandel auch das Talent für das Texten spritziger, sozialkritischer Lyrics teilte.
Den Gastauftritten auf „June in Siberia“ nach zu urteilen, ging auch diese Vancouver-Episode in Berubes Leben – wie schon seine afrikanische Vergangenheit – musikalisch nicht spurlos an ihm vorbei. Denn nicht nur sein langjähriger Westküsten-Kumpel Dan Mangan erweist ihm auf dem aktuellen Album in Form eines beschaulichen Duetts („Side of the Road“) die Ehre, im einnehmend ungestümen „Let Me Go“ – einer verkappten Liebeserklärung an Berubes aktuelle Wahlheimat Montreal, die ihn trotz ihrer Tristesse und Befremdlichkeit einfach nicht loslassen will – kommt auch sein Ex-Fugitives-Kollege C.R. Avery zu Wort und verwandelt diese so erfrischend entromantisierte Hommage mit seiner warmen Stimme und evokativen Lyrik endgültig zum heimlichen Highlight einer äußerst harmonischen, ausgewogenen Platte.
Mark Berubes größte Muse war also schon immer das Leben, der Alltag in der so ungleichen, wirren Welt da draußen. Die Art und Weise, wie es ihm immer wieder gelingt, scheinbar Alltägliches in überaus poetische, existentielle Texte zu verpacken („What do you do, when your history is glue and your future’s a shoe, and you’re walking?“) und noch dazu mit einer Dramatik vorzutragen, die niemals aufgesetzt wirkt, zeugt aber auch zweifellos von zwei ganz besonderen künstlerischen Idolen: Leonard Cohen und Jacques Brel. Deren Fußstapfen sind zwar sicherlich groß, aber keinesfalls zu groß für Globetrotter Berube. Denn auch wenn der Erfolg ihm (noch) kein Recht gibt: Messen lassen muss er sich nach dem mittlerweile vierten kleinen Kammerfolk-Kunstwerk in Folge eigentlich nur noch an seinen eigenen Großtaten.
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