Rezension

Maritime

Heresy And The Hotel Choir


Highlights: Guns Of Navarone // For Science Fiction // Love Has Given Up
Genre: Indie-Pop-Rock
Sounds Like: The Promise Ring // Nada Surf // Death Can For Cutie

VÖ: 12.10.2007

Man kennt das ja: Musiker, die sich eigentlich eher mit harten Klängen einen Namen gemacht haben, beschließen auf einmal, ihre sanfte, feminine Seite hervorzukehren. Manchmal geschieht so etwas aus rein verkaufstechnischen Gründen - so ein paar schnulzige Balladen als Singles haben ja noch nie geschadet, Incubus, ich schaue auch in eure Richtung! Teils soll vielleicht einfach die eigene Wandlungsfähigkeit getestet werden, auch Solo-Akustikprojekte von Punkbandfrontmännern wie Greg Graffin, Nikola Sarcevic oder Nagel sind aktuell keine Seltenheit. Der umgekehrte Fall, dass Künstler, die eher für ruhige, gemäßigte Musik bekannt sind, auf einmal Rambazamba machen wollen, ist an sich eher selten. Zum Glück, möchte man sagen, denn wie eine Kollaboration von Sigur Ros und Lemmy Kilmister klingen würde, will man eigentlich gar nicht wissen und auch ein Metal-Album der Weakerthans sollte wohl lieber unveröffentlicht bleiben.

Zugegeben, nicht in solch krassen Ausmaßen, aber Maritime haben es trotzdem gewagt. Ausgerechnet Maritime, die Mannen um Ex-The-Promise-Ring-Sänger Davey van Bohlen, die - wie böse Zungen behaupten mögen - nur vom Grand Hotel van Cleef gesignt wurden, weil auch nach dem Absprung von Death Cab For Cutie zum Majorlabel noch eine hübsche Indie-Band aus Übersee unter Vertrag stehen sollte. "Heresy And The Hotel Choir" ist nun der merkwürdig anmutende Titel des neuesten Streiches des Vierers aus Milwaukee, die auf ihren Vorgängeralben "Glass Floor" und "We, The Vehicles" noch Sommermusik erster Güteklasse ablieferten, luftig-leichte Popsongs zum in der Hängematte Faulenzen bei bestem, den Klimawandel ignorierenden Wetter. Wer sich jedoch in der Hoffnung auf ein Drittwerk, das weiter auf dieser Schiene fährt, in die Sommersonne fläzt, wird mit dem Opener "Guns Of Navarone", das im Refrain beinahe collegerockige Züge annimmt, zunächst einmal leicht in der Hängematte durchgeschüttelt, bevor das krachige "With Holes For Thumb Sized Birds" einen dann endgültig vor Überraschung aus selbiger hinauspurzeln lässt; der bebende Bass in "For Science Fiction" erschüttert die Erde schließlich so sehr, dass die auf einem Beistelltischchen bereit stehenden Cocktailgläser umkippen und die Sommerwiese mit ihrem eisgekühlten, alkoholischen Inhalt tränken.

Vielleicht wurden einige Instrumente und Verstärker nur für die ersten Stücke gemietet, vielleicht mussten nach der Aufnahme der ersten vier Songs auf einmal irgendwelche dubiosen Lärmschutzbestimmungen eingehalten werden - alles wackelige Theorien, mit denen man zu erklären versuchen könnte, dass der Weg hin zu mehr Lautstärke nach einem knappen Drittel des Albums auf einmal gestoppt wird. Gecollegerockt wird zwar zu Zeiten immer noch, beispielsweise auf "Hours That You Keep", der altbekannte semi-akustische Gitarrenpop älterer Werke gewinnt aber im Großen und Ganzen wieder die Überhand. Während einige Stücke von "Glass Floor", allen voran das hervorragende "Someone Has To Die", jedoch noch zu den zehn Indiehits für die einsame Insel gehörten, erreichen Maritime diese Klasse auf "Heresy And The Hotel Choir" leider nicht mehr, höchstens das finale "Love Has Given Up" kann sich berechtigte Hoffnungen darauf machen, vom Flugzeug in einer der Musikproviantkisten für die Schiffbrüchigen abgeworfen zu werden. Zu den im Rahmen des Albums herausragendsten Stücken avancieren im Endeffekt dann doch eher die "toughen" Songs, die - je nach Gusto - entweder eine Weiterentwicklung oder eine Rückentwicklung zu den eher punkigen Wurzeln von The Promise Ring markieren. Letztendlich egal - denn gut zu Gesicht steht Maritime eigentlich beides.

Jan Martens

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