Rezension

Madsen

Labyrinth


Highlights: Mein Herz bleibt hier // Blockade // Mit dem Moped nach Madrid
Genre: Indierock
Sounds Like: Sportfreunde Stiller // Bosse // Angelika Express

VÖ: 23.04.2010

Optimismus kann man immer auf zweierlei Weise begegnen: Entweder er erfrischt Herz und Seele oder er ist nervig und/oder sogar peinlich. Der Herausforderung, es beim Publikum nicht zu letzterem kommen zu lassen, stellen sich Madsen mit ihrem fast durchweg lebensbejahenden vierten Album „Labyrinth“.

„Ja“ sagen die – inzwischen übrigens nur noch vier – Wendländer auch zur Veränderung. Frontmann Sebastian Madsen tut in aktuellen Interviews dabei so, als sei „Labyrinth“ der erste Versuch, etwas Neues zu kreieren. Ähm, Moment. Hieß es nicht – Maßstab hierbei ist immer das stilprägende Debüt „Madsen“ – das zweite Album „Goodbye Logik“ sei ruhiger (Veränderung!) und das dritte „Frieden im Krieg“ härter (Veränderung!) geworden?

Der sechsminütige (!) Titelsong und Opener „Labyrinth“ bringt Licht ins Dunkel: Die Begriffe „ruhiger“ und „härter“ reichen hier nicht mehr aus. In den ersten Sekunden ertönen Chöre, die an die Wise Guys erinnern, gleich darauf folgen pathetische Klavierklänge. Die Queen-Parallelen sind unverkennbar und nach Aussagen von Sebastian Madsen nicht unbeabsichtigt. Erst nach etwa 2:20 nimmt die extrem gewöhnungsbedürftige neue Madsen-Schiene ein Ende. Durchatmen! Endlich ist er da, der treibende, absolut madsentypische Rhythmus.

Wäre da nicht der Text... „Du kannst fliegen über dein Labyrinth / Und selbst, wenn die Welt sich mit dir dreht / und du Richtung Himmel fliegst / du weißt, was auch geschieht / da ist immer irgendjemand, immer irgendjemand / der dich liebt“. Da kommen wir dann zur eingangs erwähnten Ambivalenz. Gegen ein bißchen Kitsch und Träumerei ist ja nichts einzuwenden, solange – und davon entfernen sich Madsen immer weiter – das Ganze so verpackt wird, dass man die Texte auch an sich heranlassen kann. So hingegen wahrt man dann doch lieber seine persönliche Distanz. Schlimmer noch, gar zum Augenrollen ist es beim Song „Zwischen den Zeiten“: „Durch dunkle Wälder bin ich gegangen / war oben auf und ausgebrannt/ich musste kämpfen und widerstehen/es tut so gut, dich jetzt zu sehen/denn es ist vielleicht die beste Zeit in meinem Leben“ Wo kommt dieses hippieeske Gerede auf einmal her?

Glücklicherweise, und das sollte an dieser Stelle unbedingt unterstrichen werden, zieht sich diese Leier nicht durch die komplette Scheibe. Textlich, aber vor allem auch musikalisch, ist „Mein Herz bleibt hier“ wohl eines der stärksten Stücke, wenn nicht sogar DER Song des Albums. Zum Vergleich: „auf den billigen Plätzen/sind die netteren Leute/auf den kleinen Hochzeiten/gibt's die schöneren Bräute/ich schlafe lieber im Zelt/als im teuren Hotel/die schönsten Dinge der Welt/bekommt man ohne Geld“ Da ist die Erfrischung! Dasselbe gilt für den wunderbaren Song „Mit dem Moped nach Madrid“, in dem ein Typ ohne Rücksicht auf Verluste einfach losfährt und alles hinter sich lässt – und zum Schluss steigt auch der Protagonist mit auf. Beide Lieder sind übrigens - wer hätte es gedacht - viel stilgetreuer und weitaus nicht so experimentierfreudig wie „Labyrinth“ oder der folkangehauchte Track „Sieger“.

Es bleibt dabei: Die vier Nordlichter werden sich nie wirklich von dem Debütvergleich lösen können. Man möge die gewagte These aufstellen, dass dies an der Überzeugungskraft des ersten Albums liegt. Und trotzdem versuchen Madsen krampfhaft, etwas Neues auszuprobieren. Dabei kann man selbst auf „Labyrinth“ bestens feststellen, dass einfache Veränderungen – sozusagen die Ausreifung des eigenen Stils, wie bei „Mein Herz bleibt hier“ oder „Blockade“ - viel gewinnbringender sind. Auch sollte Sebastian Madsen zu seiner altbewährten Art des Songwritings zurückkehren – sonst wird’s nervig. Oder sogar peinlich.

Tamara Keuer

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!