Rezension

Liars

Mess


Highlights: Mask Maker // I’m No Gold // Mess On A Mission
Genre: Experimental // Dance // Noisepop
Sounds Like: Suuns // Yeasayer // Black Dice // Indian Jewelry

VÖ: 21.03.2014

Ein wirres Wollgestrüpp in knallig bunten Farben hängt auf Autobahnbrücken herum, in Bahnhöfen, im Einkaufswagen oder schaukelt unter blauem Himmel. Darüber hinaus findet es sich im Zuge der Ankündigung des kommenden siebten Albums der Liars fast täglich auf deren Bandprofil – jedes Mal anders in Szene gesetzt. Dieses Etwas steht offensichtlich für den Albumtitel. Wie sonst kann man ein ein so wirres Objekt und einen Titel namens ‚Mess’ sinnvoll verknüpfen? Man verliert buchstäblich den Faden.

Ein Versuch der Entwirrung: Die Liars besitzen ein Gespür für kreative Inszenierungen und das kann man auch von ihren Liveshows und vor allem von ihren Videos behaupten. Schließlich kommt das nicht von ungefähr: 2/3 der Bandmitglieder sind vom Fach und haben am Kalifornischen Institut der Künste studiert. Soviel zur Optik und Promo-Maschinerie, aber was ist nun musikalisch von "Mess" zu erwarten?

Wieder hilft ein Blick in die Vergangenheit. Für ihre Musik gilt das gleiche Prinzip wie bei der Rezeption und Umsetzung ihrer visuellen Ideen: Man ist allem Neuen gegenüber aufgeschlossen und stets darum bemüht, die Grenzen des eigenen musikalischen Schaffens zu erweitern. Die Wanderung von einem Extrem zum anderen hat bei dem Projekt seit nunmehr fast 14 Jahren Methode. Das Konzeptalbum "Sisterworld" (2010) etwa, welches sich mit ihrer Heimatstadt Los Angeles beschäftigt, wurde von Kritikern als "unhörbar" bezeichnet, ja sogar als "sadistisch" verschrien. Dennoch kann man sich diesem Sound nicht entziehen, wie ein "Strudel, der einen aus der gewöhnlichen Welt in Unbekanntes herabzieht". "WIXIW" (2012) hingegen ist um einiges zugänglicher. Es ist zwar ambivalent und fragil, wirkt im Vergleich jedoch sehr clubtauglich und vor allem: sehr elektronisch! Es steht somit im krassen Gegensatz zu seinen sehr gitarrenlastigen Vorgängern.

Und jetzt "Mess". Das Album ist geordneter, als der Titel vermuten lässt. Es wirkt aufgeräumt und lässt an Energie nichts vermissen. Bereits die Opener sind gute Argumente, mal wieder die Tanzschuhe zu beanspruchen. Mächtige Drumbeats, Overdrive-Synths und der typische Gesang von Angus Andrew machen Lust auf mehr. Selbst abstraktere Produktionen wie "I’m No Gold", "Darkslide" oder das sich sehr in Clicks & Cuts verlierende "Boyzone" verweigern sich dem zum Tanzen und Kopfnicken geneigten Hörer nicht.

Der ekstatische Aufbruch in elektronische Gefilde ist scheinbar im vollem Gange, dennoch finden sich keine überproduzierten, elektronischen Soundgewimmel ohne Abwechslung und Ideen. Im Gegenteil: Der durchgehende Drive des Leadsynths erzeugt eine authentische, nie zur Ruhe kommende Dynamik, der man sich nur schwer entziehen kann. Andrews markanter, unverwechselbarer Gesang bleibt, so möchte man fast meinen, die einzige Schnittstelle zu vergangenen Produktionen. Vergeblich sucht man auf ‚Mess’ auch nach minimalistischen Balladen und konträren Songstrukturen älterer Produktionen wie zum Beispiel "The Other Side Of Mt. Heart-Attack" (Drums Not Dead, 2006) oder "Scissors" (Sisterworld, 2010). Der Titeltrack und die erste Singleauskopplung des Albums, "Mess On A Mission", ist unter diesen Umständen gut gewählt. Er steht sinnbildlich für die Energie und das Potenzial des gesamten Albums. Ein Ping-Pong Beat untermalt dabei, unterstützt von markanten Vocal-Einlagen und trockenen Drums, die songbestimmenden Alliterationen "mess on a mission" und "facts are fact and fiction’s fiction".

Aus dem Chaos entsteht häufig etwas Neues, zum siebten Album der Liars könnte dies durchaus zutreffen. "We are a reactionary, or maybe a better word is schizophrenic band. We go from one extreme to the other," Sänger Andrews bringt es damit auf den Punkt. Die Liars sind offensichtlich gut am nächsten neuen Extrem angekommen.

Sebastian Minas

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"Mess On A Mission" im Stream

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