Rezension
Liars
Sisterworld
Highlights: Scissor // No Barrier Fun // All The People
Genre: Noisepop
Sounds Like: 31 Knots // Dukes of Windsor // Jesus Lizard
VÖ: 05.03.2010
Hinter "Sisterworld", dem fünften Album der Liars soll ein Konzept stecken, so die Releaseinfo. Man habe sich mit der Untergrundkultur Los Angeles‘ beschäftigt, die als eine Art Paralleluniversum zur oberflächlichen Allgemeingesellschaft existiere. Wieviel man allerdings von diesem Inhalt mitbekommt, ist fraglich, denn auch ohne Konzept und Hintergrundgeschichte wird auf „Sisterworld“ deutlich: Hier hat mal wieder eine Band zum Rundumschlag ausgeholt. „Sisterworld“ ist so vielschichtig, undurchdringlich und anstrengend, dass man es nach einem Mal durchhören gar nicht gut finden kann. Wenn jedoch die Fragezeichen auf dem Kopf sich langsam in Aha-Momente wandeln, ist das Album wirklich ein Strudel, der einen aus der gewöhnlichen Welt in Unbekanntes herabzieht.
Die ersten Stufen zum Abstieg sind verlockend einfach zu nehmen.“Scissor“ klingt nach den Soloprojekten der beiden Neurosis-Sänger – also düsterem Country. Angus Andrew röhrt im tiefen Bass vor sich hin, ein paar Streicher untermalen die Stimmung und abgesehen von einem kleinen Intermezzo ist der ganze Song eine sehr ruhige Angelegenheit. „No Barrier Fun“ fesselt den Hörer dann eher mit Faszination und Schönheit als durch Gewalt. Die seltene Verbindung „klickender Hintergrundbeat, Violine und funky Glockenspiel“ findet hier nahezu perfekte Anwendung.
Wer das The-Cure-Frühwerk kennt, dem ist sicherlich das beängstigende „10.15 Saturday Night“ in Erinnerung geblieben. Ähnlich gruselig kommt „All The People“ daher. Es vertont die Stelle in Filmen, in denen nachts eine Hauptfigur allein durch die Gegend rennt und man einfach weiß, dass gleich irgendetwas schlimmes passiert. Nach diesem ersten Schock ist Ruhe notwendig. Zeit, die die Liars nutzen, um vier Minuten Field Recordings in die Platte einfließen zu lassen. Das nennt die Band dann „Drip“ und es ist einer der wenigen verzichtbaren Momente des Albums. Gegenstück dazu ist das völlig übersteuert laute und hektische „Scarecrows On A Killer Slant“.
Da kaum eine Subkultur bekannt ist, die sich nicht der bewusstseinserweiternden Mittel bedient, um sich der Gesellschaft zu entziehen, verarbeiten die Liars auch dies hörbar. Die Resultate sind Stücke wie das völlig verstrahlte „I Can See An Outside World“ oder das bläserdurchsetzte „Goodnight Everything“. Auch „Proud Evolution“ wirkt mit seinem mantraartigem Chorus nicht sehr fern von der Wirkung illegaler Substanzen und um den Stilmix perfekt zu machen, findet man mit „Overarchievers“ ziemlich direkten Indiepunk vor.
„Sisterworld“ ist der vertonte Kater am nächsten Morgen, wenn jedes Geräusch in lauten Schlägen auf die Nerven hämmert, obwohl am Anfang des Abends davor noch alles in Ordnung war. Man kann dem Album dafür also zugute halten, im Gegensatz zu anderen Mitteln den Körper nur am Kopf zu belasten, auch wenn das möglicherweise die schmerzhafteste Ausprägung eines solchen Trips ist. Dennoch kann man sich dem nicht entziehen und setzt sich immer wieder von neuem fasziniert der zeitweiligen Tortur aus.
Finden
Bye-Bye
Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!





