Rezension

Laura Marling

A Creature I Don't Know


Highlights: Sophia // The Beast // All My Rage
Genre: Folk // jazziges Singer-/Songwriter
Sounds Like: Joni Mitchell // Noah and the Whale // Johnny Flynn

VÖ: 23.09.2011

Zu ihrem Debüt vor drei Jahren wurde Laura Marling das Etikett der britischen Folk-Elfe aufgestempelt und sie wurde allseits auch in genau dieses Raster gesteckt. Ein Journalist fand es daher wichtig zu betonen, dass Marling, offensichtlich für Elfen untypisch, während des Interviews weder den Zigaretten noch dem Bier abgeneigt war. Zur zweiten Platte hatte Marling plötzlich braunes Haar und man sprach von einem Imagewechsel, den man auch in ihrer Musik finden wollte. Als die Britin dann erklärte, dass ihr brünetter Schopf unfreiwilliges Produkt eines Chemieunfalls war, erkannte man auch an, was „I Speak Because I Can“ tatsächlich war: sehr gut, aber stets auf den Pfaden des ersten Albums wandelnd. Jetzt ist Marling wieder blond, ihre Musik aber, die ist nun irgendwie ganz anders und dann aber doch wieder ganz Laura Marling.

Das Garn, aus dem Marlings typischer roter Faden ist, besteht aus zweierlei: Songwriting, das Geschichten erzählt, die zeitlos und wie dunkle Märchen scheinen und Arrangements, die sich einem tief ins Innerste kämpfen: erst zaghaft und zerbrechlich, dann an Intensität zunehmend und eindringlich. Soweit bleibt sich Marling auch auf „A Creature I Don’t Know“ treu, und die ersten paar Sekunden des Albums scheint auch alles andere wie gehabt: Akustikgitarre. Diese wird auf diesem Album natürlich stete Begleiterin bleiben, aber Marling zeigt hier Seiten von sich, die wir so nicht kennen.

Die ersten beiden Songs sind dominiert von unerwartet bluesigen Klängen, jazzigem Klavier und Marlings Stimme, die kokett-sexy mit Worten spielt – Stimmungen, die man Marling nicht unbedingt zugetraut hätte, Joni Mitchell lässt grüßen. Aber nicht nur die ist hier zu finden, aus allen Ecken klingt auch mal Bob Dylan („Salinas“) oder Dolly Parton („All My Rage“) heraus.

In „The Beast“ dann ist Marling nicht mehr nur das ewig fragile Feengeschöpf, dessen Flüstern jedem Jungen den Beschützerinstinkt abgewinnt. Hier vibrieren E-Gitarren und Marlings Stimme wird lauter, erregter, wütender, tiefer denn je.

Mit „Sophia“ und „My Friends“ hingegen kommt Marling wieder ganz nah an ihre Wurzeln heran, nur um deutlich zu zeigen, dass sie diese längst überwunden hat. Persönlicher wirkt das Songwriting und authentischer die Melodien. Marling scheint sich hier näher als zuvor, was ironisch ist, wurde ihr doch immer attestiert, dass sie reifer schreibt, als sie eigentlich ist. Nichtsdestotrotz lugt auch hier immer wieder ihre abgeklärte Seele hindurch, wenn sie in „Rest In The Bed Of My Bones“ die Worte All that I want is a home / And all you can do / Is promise me bold / That you won’t let me grow dark verschwörerisch leise, nur vom Fingerpicking begleitet, singt.

Wer nun die unbekannte Kreatur des Albumtitels ist, bleibt weiterhin offen. Heiße Anwärter wären aber zwei Figuren, die in den Songs des Albums immer wieder vorkommen: „Sophia“, die zwischendrin mal „Goddess of Power“ genannt wird und das Biest, dass nicht nur erwähnt wird, sondern genau wie Sophia, seinen eigenen Song bekommt. Ob es auch diese beiden Charaktere sind, die auf dem Cover der Platte in tanzender oder kämpfender Umarmung zu sehen sind, darf widerlegt werden.

Vielleicht aber ist Marling auch selbst die Kreatur, die sich nicht kennt. Versicherte sie mit ihrem 2010er Album noch trotzig, dass sie spricht, weil sie es kann, sucht sie jetzt nach ihrem inneren Wesen. Mit „A Creature I Don’t Know“ jedenfalls ist Marling ganz sie selbst, sich ganz nah, ganz Folk mit gebanntem Blick auf amerikanische Pioniere ihrer Musik, löst sich aber gleichzeitig von all dem und formt daraus etwas, dass tatsächlich gänzlich Marling an sich beschreibt und sie doch ganz neu, erwachsener definiert. Möglicherweise ist sich Laura Marling schon näher, als sie denkt.

Silvia Silko

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