Rezension

Jens Lekman

Night Falls Over Kortedala


Highlights: And I Remember Every Kiss // The Opposite Of Hallelujah // Your Arms Around Me
Genre: Pop
Sounds Like: Pelle Carlberg // Frank Sinatra // Morrissey

VÖ: 12.10.2007

Irgendwie hat der Herbst 2007 doch etwas von Frühling, oder? So schönes Wetter hatten wir selbst im Sommer nicht und der Regen… Ja, wie sieht der eigentlich noch mal aus? Wie gut, dass ausgerechnet jetzt der neueste Streich von Jens Lekman hier erscheint. Der verkannte Meister des Pop, der Exzentriker, das Musikgenie, der Herr der großen Gesten und des Schmalzes. Neben all dem ist er aber auch noch der Mann, der immer genau weiß, wie es in unseren Herzen aussieht und der für jeden Gefühlszustand und jede Lebenssituation einen passenden Song parat hat. Dumm nur, dass bisher so wenige Leute davon Wind bekommen haben. Spätestens mit „Night Falls Over Kortedala“ sollte sich dies aber doch endlich nachhaltig ändern, oder?

Naja…Zugegeben, er macht es auch vielen nicht gerade einfach. Das Artwork schreckt wahrscheinlich schon einmal ab. Da lässt sich der Jens von einer Wolke die Haare schneiden. Was das soll? Äh, ja… Und dann zaubert er seine Songs auch noch aus Zutaten, die wirklich aus den süßesten der süßen Dinge des Pop bestehen. Will heißen, wer kitsch- und pompempfindlich ist, streicht wahrscheinlich schon recht frühzeitig die Segel. Das dürfte Jens Lekman aber herzlichst egal sein, schließlich weiß er wohl selbst am besten, dass er mit seiner Musik nur die Leute erreichen kann, die ähnlich emotional gestrickt sind, wie er selbst.

Und diese werden bei einem Opener wie „And I Remember Every Kiss“ regelrecht ausrasten. Buchstäblich mit Pauken und Trompeten inszeniert Lekman seinen eigenen Auftritt als großes Ereignis. Man sieht ihn förmlich inmitten eines riesigen Orchesters vor sich. „But I swear I'll never kiss anyone/who doesn't burn me like the sun” beteuert er da, regelrecht den Charme eines Frank Sinatra versprühend, und man nimmt es ihm auch ohne mit der Wimper zu zucken ab. „Sipping On The Sweet Nectar“ ist da schon eher ein Härtefall. In bester 80er-Jahre-Seicht-Pop-Manier juckelt da die Piccolo Flöte und Bläsersamples werden nicht gerade zimperlich eingestreut. Kurz drüber nachgedacht, ob das jetzt gut oder furchtbar ist, kommt mit „The Opposite Of Hallelujah“ aber schon der Popsong des Jahres um die Ecke. Die Streichermelodie fräst sich tief ins Herz, während Lekman selbst Morrissey Konkurrenz macht, wenn er „You got so much to live for/little sister“ croont.

Ja, dieser Jens Lekman. Man kann eigentlich gar nicht anders als ihn gern haben, wenn er von dem Diner mit den Eltern seiner Freundin erzählt „A Postcard To Nina“, oder er sich bei inniger Umarmung mit seiner Liebsten den halben Finger absäbelt („Your Arms Around Me“). Selbst das dick eingestaubte Saxophon feiert bei so viel Herzlichkeit seine Auferstehung und begleitet Jens „Friday Night At The Drive-in Bingo“. Auch wenn er es manchmal allzu sehr auf die Spitze treibt, wie in dem schrecklich schnulzigen „Into Eternity“, so bleibt „Night Falls Over Kortedala“ doch haushoher Punktsieger im Kampf gegen fehlenden Einfallsreichtum und vor allem gegen schlechte Laune. Eine Platte zum selber drin einpacken und wohl fühlen.

Benjamin Köhler

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