Rezension

Holy Ghost!

Dynamics


Highlights: Okay // Changing of the Guard // Don't Look Down
Genre: Electro-Pop
Sounds Like: LCD Soundsystem // The Rapture // Chvrches

VÖ: 18.10.2013

Es war um die Jahrtausendwende, als die New Yorker die zackigen Drumbeats und sexy Bassläufe wiederentdeckten. Ein Jahrzehnt der Verweigerungshaltung durch verschränkte Arme, des Fußwippens als vollkommenste Form des Tanzes und der existentialistischen Selbstzweifler des Grunge – weggeblasen. Bye Generation X, hallo Hedonismus. Es durfte wieder bis zur Besinnungslosigkeit gehampelt und abgespackt werden. Die Helden hießen The Rapture, !!! oder James Murphy aka LCD Soundsystem, dessen DFA Records zum Synonym für das Dance-Punk-Revival wurde. Das New Yorker Nachtleben? Eine scheinbar endlose Hausparty, zu der neben Daft Punk auch du, lächerlich ungelenk und schüchtern, geladen warst.

Doch als LCD Soundsystem am 2. April 2011 im Madison Square Garden vor 20'000 Leuten den Stecker zogen, schien auch das Schicksal von DFA Records besiegelt, schließlich wurden die Akzente doch längst woanders gesetzt. Nichtsdestotrotz veröffentlicht Murphy noch Platten, stoisch und unbeirrbar im Geschmack. Eine dieser Bands ist Holy Ghost aus Brooklyn, die nun ihr zweites Album für DFA veröffentlichen. Und mit „Dynamics“ wollen sie immer noch feiern, als ob der Millennium-Bug die Rechner tatsächlich 1999 eingefroren hätte.

Das Problem: Das Duo klingt wie The Rapture 2006, als diese mit „Pieces Of The People We Love“ Cowbell und Wahnsinn aus ihrer Musik verbannten und damit einen Großteil ihrer Fans aus den Konzertsälen vergraulten. Aus dem einst spannenden Clash aus kühler Elektronik und wildem Punk wurde ein zahmes, durchgestyltes Popprodukt, das sich lediglich durch das Aussehen der Musiker von austauschbarer Chartware unterschied. Auch „Dynamics“ leidet an diesem Problem: Sicherlich elegant, allerdings zu generisch, um sich in irgendwelcher Weise von der funktionalen Beschallung einer Großraumdisco abzuheben. Natürlich gibt es eine Handvoll Hits wie das tanzbare „Okay“ oder das an Murphys flehende Hits erinnernde „Don't Look Down“, trotzdem fehlt „Dynamics“ auf Albumlänge einfach das Profil, um dieser Art von Musik im Jahr 13 nach der Jahrtausendwende Substanz zu geben. Dabei gäbe es so viele Veränderungsmöglichkeiten: Natürlich hätte ein Syntheseversuch aus der Apathie des gerade grassierenden Neunziger-Revivals mit rückwärtsgewandter Elektronik eine mittelschwere Katastrophe werden können, doch alleine der Mut hätte „Dynamics“ zu einem wichtigeren Album als jetzt gemacht.

Holy Ghost setzen sich damit zwischen sämtliche Stühle und hecheln einem seit Jahren abgefahrenen Stuhl hinterher. Doch auch als Vorbote für ein anstehendes Revival kommt „Dynamics“ eindeutig zu früh, wenn man von der eingependelten 25-Jahre-Regel ausgeht. Liebe Holy Ghost: Vielleicht dann später mal.

Yves Weber

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