Rezension
Herrenmagazin
Sippenhaft
Highlights: Ehrenwort // Halbes Herz // Reißt Mich Zusammen // Zwischen Den Tätern
Genre: Indierock
Sounds Like: Schrottgrenze // Hansen Band
VÖ: 07.08.2015
Hier kommt wohl endlich zusammen, was zusammen gehört: Nachdem im Frühjahr ihr altes Label Delikatess Records das Aus bekanntgeben musste, sind Herrenmagazin bei Grand Hotel Van Cleef heimisch geworden. Sympathische Band mit großem Potential + sympathisches Label mit guter Nase für Nachwuchskünstler = Erfolg! Oder? Spaß scheint die Zusammenarbeit schon mal allen Beteiligten zu machen, wie diverse Albumteaser und -trailer erahnen lassen. Und dass eine Band, die früher auf ihrer Homepage eine Ecke hatte, in der Bilder von hässlichen Tieren gesammelt wurden, mittlerweile großen Wert auf Klavierbegleitung in den meisten Liedern legt, ist auch ein Zeichen, dass die Herren es ernst meinen und tatsächlich Anlauf nehmen, um das ganz große Publikum zu erobern. Aber ob die beschriebene Gleichung wirklich aufgeht, muss sich erst noch zeigen.
Keine Frage, „Sippenhaft“ hat auf jeden Fall einige Lieder, die man sich sehr gut im Radio vorstellen kann, allen voran die erste Single „Ehrenwort“. Mit vollem Sound, gewohnt melancholischem und einprägsamem Text ist dieser ruhige Song die logische Weiterentwicklung von allem, wofür Herrenmagazin stehen. Die bisher so prominenten Gitarren werden hier – genau wie auf dem Rest des Albums – runtergefahren, dafür erhalten das Klavier und Deniz Jaspersens Stimme mehr Raum. „Halbes Herz“ ist wohl das radio-poppigste Lied des Albums, dabei aber nie platt, sondern mit interessanten Bassläufen und geschickt eingesetzten Percussions ein Zeichen für die Vielseitigkeit von Herrenmagazin. Ingesamt ist der Sound des Albums wesentlich runder und man möchte fast sagen, profesioneller geworden. Zwischen der reinen Klangqualität des Debüts „Atzelgift“ und der aktuellen vierten Platte liegen Welten. Vorbei ist es mit dem klapprigen Schülerbandsound, die Zeichen stehen auf Radio. Nur „Halbes Herz“ erinnert ein wenig an die Energie früherer Alben – dank des Rasselns eines Tambourins.
So sind es vor allem die Lieder, die sich nicht ganz in diesen glatten Sound einzufügen scheinen, die im Kopf hängenbleiben. Die Gitarren und der verzerrte Gesang am Anfang von „Alles So Bekannt“ etwa oder „Zwischen Den Tätern“, das die Aufmerksamkeit für dreieinhalb Minuten fesselt, sind Highlights des Albums. All die ruhigen Lieder, die sich vor allem in der Mitte der Platte finden, scheinen hingegen kein richtiges Profil zu haben. Sie stören nicht, aber als Hörer horcht man eigentlich immer nur kurz auf, wenn doch mal wieder irgendwo eine etwas lautere Gitarre zu hören ist oder ein Becken scheppert. Der ganz große Wurf ist also auch mit „Sippenhaft“ wieder nicht geglückt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wenn Herrenmagazin aber weiter mit so großen Schritten Richtung Radio stapfen, müssen sie aufpassen, dass sie nicht bald zu den neuen Jupiter Jones werden.
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