Rezension
Grim104
Grim104
Highlights: Frosch // Crystal Meth In Brandenburg // Ich Töte Anders Breivik
Genre: Rap // Hip Hop
Sounds Like: Zugezogen Maskulin
VÖ: 15.11.2013
Als in Berlin die ersten Tracks der beiden Rapper Grim104 und Testo unter dem Namen Zugezogen Maskulin Aufmerksamkeit erlangten, musste der Name natürlich polarisieren. Dass dieser eher ironisch gemeint war und eine humorvolle Referenz an die ganz Großen der Berliner Rapszene sein sollte, wollte auf Teufel komm raus nicht bei jedem auf offene Ohren stoßen, denn wer sich in der Hauptstadt selbst als "zugezogen" tituliert, dem wird mit einer großen Portion Skepsis gegenübergetreten. Der geneigte Hörer darf deshalb nicht den Fehler machen, sich von dem Namen abschrecken zu lassen, denn nicht umsonst kamen Grim104 und Testo als erste Rapinterpreten seit langem beim renommierten Hamburger Label Buback unter Vertrag. Spätestens durch diesen Clou sollte klar sein, dass sich musikalisch mehr hinter dem proletenhaft anmutenden Crew-Namen versteckt.
Die selbstbetitelte EP von eben jenem Grim104 ist dann durch die Zugkraft von Buback auch genau das geworden, was man bei genauerer Auseinandersetzung erwartet, nämlich ein ernst zu nehmendes und innovatives Album, das sich in einer Sparte wiederfindet, die es so bisher nicht wirklich gegeben hat.
Schon das erste Video zu „Frosch“ deutet an, dass sich oft eine beklemmende Stimmung einstellt, wenn Grim104 seine Stimme erhebt und auf flächige Beats seinen Text auf eine bestimmte Thematik ausrichtet. Sowieso bewegen sich die musikalischen Grundgerüste von Kenji451 größtenteils auf einer kühlen Ebene, die vielen anderen Rappern gar nicht bekannt zu sein scheint und lässt sich grob als Cloud-Rap beschreiben. Klar mögen sich Titel wie „Crystal Meth In Brandenburg“, „Der Kommende Aufstand“ oder „Sternstunden Der Bedeutungslosigkeit“ etwas pathetisch anhören, wenn sich dann aber inhaltlich eine klare Linie um Kritik an sozialen Strukturen und die Perspektivlosigkeit der provinziellen Jugend in Brandenburg findet, ist das bedrückend und interessant zugleich. Dabei macht Grim104 nie den Fehler, sich hinter inhaltlosen Reimen zu verstecken, sondern hat den Fokus eher auf der Substanz als auf einer überragenden Technik.
Allerdings darf auch Kritik geübt werden, denn zwischen den vielen Höhepunkten der Platte schleicht sich gelegentlich doch die ein oder andere Länge. Außerdem ist das laute und energische Organ von Grim104 sicher nicht jedermanns Sache. Die Themen, um die es ihm geht, versucht er dadurch im Kontrast zu den oft verschleppten Beats aber besonders energisch zu vermitteln. Anstrengend kann das je nach Stimmungslage dann eben doch sein. Wenn zum Beispiel in „Ich Töte Anders Breivik“ genau dieser Satz mehrfach hintereinander wie ein Mantra beschworen wird, mag das manchen nerven oder abschrecken, trotzdem bleibt eben das die Eigenart des Grim104, die ihn für zeitgenössischen Rap interessant macht. Überhaupt können viele der Themen, die in der knappen halben Stunde Laufzeit abgedeckt werden, einen runterziehen, aber mit dem nötigen Schuss Humor, den Grim104 subtil mitbringt, liefert er hier ein unglaublich spannendes, dichtes Debütrelease, das frischen Wind in die so arg gebeutelte Deutschrap-Szene bringen kann. Mit dieser EP zeigt der Neu-Bubacker auf jeden Fall sein Potenzial, das doch so gar nicht proletenhaft und plump ist. Und eigentlich waren Intelligenz und Kreativität doch eh schon immer wesentlich attraktiver als stumpfe Maskulinität – und vielleicht ist das jetzt ja auch endlich in Berlin angekommen.
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