Rezension

Glasvegas

Glasvegas


Highlights: Flowers And Footballtops // Polmont On My Mind // Daddy's Gone // Ice Cream Van
Genre: Indie // Shoegaze
Sounds Like: The Twilight Sad // The Jesus And Mary Chain // Dredg

VÖ: 30.01.2009

Klingt sie nicht nach übermütigem Lokalpatriotismus? Diese als Bandname fungierende Namensfusion aus Glasgow, der schottischen Arbeiterstadt schlechthin und der Metropole Las Vegas, die mit dekadentem Prunk aufgeblähte Casino-Meile der Vereinigten Staaten? Denkste! Ob nun Belle & Sebastian, Mogwai, Franz Ferdinand oder Shitdisco, musikalische Kreativität entlädt sich hier schon seit Jahren in enormer Spannweite und die Liste ist mit diesen vier Bands noch nicht einmal angerissen. Bedenkt man dabei, dass Schottlands größte Stadt gerade mal auf die Einwohnerzahl Düsseldorfs kommt, kann einem die Spucke wegbleiben. Arbeiterstadt hin oder her, bei jedem, der sich nur halbwegs für gitarrenlastige Populärmusik aus Europa interessiert, ist Glasgows exzellenter Ruf als Epizentrum der Feinschmeckermusik längst im Gedächtnis verhaftet.

Manchmal sind diese Schwingungen sogar so stark, dass selbst der Seismograph des Mainstream wie wild wackelt. Inzwischen schon das nächste große Ding des NME, haben Glasvegas auch (bzw. daher) schon die britischen Charts geknackt. Das allein ist großartig. Das "wie" ist aber noch viel fantastischer. Denn ihr selbstbetiteltes Debüt ist weit von Zugeständnissen entfernt und bricht erfreulicherweise als kohärentes Gesamtwerk mit der Tradition, die britische Hypeopfer üblicherweise in die Welt hinaus tragen. Ummantelt von einem fast siebenminütigen Opener, dessen Melodien mit Litern von Herzblut geschrieben sind und dem in Schwerelosigkeit gleitenden "Ice Cream Van", greifen Glasvegas mehr als einmal Richtung Sternenzelt.

Das stimmige Cover nimmt da die dezente Kälte im Sound bereits vorweg, keineswegs jedoch die luftigen, wie im Postrock glitzernden Gitarren sowie die vor allem James Allans Lyrik geschuldete Emotionalität dieser Platte. Dieser Mann lebt und leidet seine Songs unnachahmlich. Stets versetzt er sich in Schicksale wie das der Mutter, die sich damit abfindet, dass ihr Sohn nicht mehr nach Hause kommen wird ("Flowers And Footballtops") oder wiederum das eines Sohnes und dessen gestörter Beziehung zu seinem Vater. ("Daddy's Gone"). Es ist James Allans Umfeld, es ist Schottland, das ihn zu diesen Geschichten inspiriert hat. Da macht es nur Sinn, wenn er diese so anstimmt, wie er sie erzählen würde. Wer also schon bei den famosen The Twilight Sad (ebenfalls aus Glasgow) den unverfälschten schottischen Akzent abgefeiert hat, darf zum stolzen Beharren auf diesem ein weiteres Mal die Korken knallen lassen.

Glasgow und ihr jüngster Spross dürfen gegenseitig Stolz aufeinander sein. Aufbruchsstimmung,die Resignation vor dem Schicksal, der Stolz und gleichzeitig der Blick in den Himmel, nach vorn. Dieses Debüt ist voll von aufwühlenden Gefühlen, der Hörer schon fast etwas von ihnen überfordert. Da macht es nichts, wenn die Platte fast schon zu homogen ist. Hier treten Gefühle unverkleidet und ungefiltert an die Oberfläche und es ist schön zu sehen, wie viele Hörer sie bereits erreicht haben. Und es ist Las Vegas, das sich geehrt fühlen darf. Denn etwas so Bewegendes, Tiefgründiges und Authentisches wurde mit seinem Namen noch nie verknüpft.

Gordon Barnard

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