Rezension

Gallows

Grey Britain


Highlights: I Dread The Night // Death Voices // The Vulture (Acts I & II) // The Riverbed // Crucifucks
Genre: (Oldschool-) Hardcore
Sounds Like: Comeback Kid // Black Flag // Every Time I Die // The Ghost Of A Thousand // Cancer Bats

VÖ: 01.05.2009

„Bei Entstehung dieses Produkts sind keinerlei Tiere zu Schaden gekommen“ lautet bekanntermaßen die ach so gewissenhafte Floskel, mit der die Pharmaindustrie ihre Weste weiß gewaschen sieht. Und jetzt liest man über das zweite Gallows-Album, dass ausgerechnet eine Hardcore-Band genau diese Regel bewusst gebrochen hat: auf „Grey Britain“ ist das Schlachten eines Schweins zu hören. Was fällt denen ein? Und sind reißerische Einleitungen dieser Art nicht der Boulevardpresse vorbehalten? Oberflächlich betrachtet schon. Der springende Punkt ist, dass genau diese Todeslaute am Ende von „Misery“ die Werte dieser Platte, dieser Band, in ihrem radikalen Kern vortrefflich erfassen. Gallows wollen die nackten Tatsachen, mögen sie noch so unbequem sein – weswegen alle Samples auf „Grey Britain“ eigenhändig aufgenommen wurden.

Und dass auf „Grey Britain“ nicht von Gummibärchenbäumen und Zuckerwattebüschen genascht wird, machen bereits die Songtitel klar: Maden, Gräber, Geier, Elend. Die Albumeröffnung mit drohendem Streichersatz – der sie später auch beschließt – ist für eine dem Punk nahe stehende Band dann doch ein beachtliches Wagnis. Kaum setzt sie geschlossen ein, bellt Frank Carter los. Henry Rollins zum Vorbild, klingt er heiser, kräftiger und so viel wütender, als wären seit dem hervorragenden Debüt „Orchestra Of Wolves“ nicht drei, sondern dreizehn Jahre vergangen. Auch die anderen Gallows klingen auf ihrer zweiten Platte wie mit Benzin übergossen und angezündet. Danken darf man es Garth Richardson, der schon die jeweiligen Meisterwerke von Rage Against The Machine, Rise Against und Biffy Clyro präzise, druckvoll und wuchtig produziert hat.

Nicht lange lässt die Erkenntnis auf sich warten, dass Gallows hier nicht nur ihr Debüt toppen, sondern ein erschütterndes Meisterwerk aufgenommen haben, das in Sachen Radikalität und Wut Platten wie „The Shape Of Punk To Come“ auf Augenhöhe begegnet. Ein Grund hierfür ist der konzeptionelle Leitfaden. Nach dem Intro lassen Gallows mit fünf traditionellen und ausnahmslos großartigen Hits die Muskeln spielen – allesamt gespickt mit den markanten Group-Shouts, fetten Riffs und Lyrics, die den Teufel stets mit voller Absicht und markerschütternd an die Wand malen. Mit dem in zwei Akte geteilten „The Vulture“ stoßen die fünf Briten dann auf neues Terrain. Was als akustische Ballade beginnt und in dem kompromisslosesten Track des Albums gipfelt, ist ausgerechnet die erste Singleauskopplung. Kompositorisch weit freier und offener gibt sich nun die folgende zweite Hälfte der Platte, die mit ihren unzähligen Facetten hier nur ausschnittsweise wiedergeben werden kann. Beispiele? Das Klavierintro von „Misery“, der geniale Refrain von „Queensberry Rules“, das melodiöse Ende des ansonsten rücksichtslos stürmenden „Graves“ - inklusive Gesangseinlage von Biffy Clyros Simon Neil.

Wenn schließlich „Crucifucks“ diesem Brocken sein erbarmungsloses Ende verpasst, ist der Hörer niedergeschmettert wie am Ende von Filmen wie „Requiem For A Dream“: „There ain't no glory and there ain't no hope, we will hang ourselves, just show us the rope[...] Great Britain is fucking dead. So cut our throats, end our lives, lets fucking start again!“, kotzt da eine geschundene Stimme zum Beat eines Militärmarsches und fiependen Gitarren, bis das pathetisch-pompöse Outro diese Platte bedenklich ausklingen lässt. Vielleicht ist dieser Frank Carter der wütendste Typ Großbritanniens. Zumindest ist er der, der einer Generation mit beschämender Vergangenheit und keinerlei Zukunft den zersplitterten Spiegel vor die Nase hält. Klar ist das auch Pessimismus. Aber es ist definitiv die unmittelbare Ursache der wütendsten Platte dieses jungen Jahrhzehnts.

Gordon Barnard

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