Rezension
Fever Ray
Plunge
Highlights: Wanna Sip // Musn´t Hurry // This Country // To The Moon And Back
Genre: Elektro // Experimental
Sounds Like: Peaches // The Knife // Grimes // Björk // Austra // Iamamiwhoami
VÖ: 23.02.2018
„Plunge“ ist ein Album, das es den Zuhörenden nicht einfach macht. Beim ersten, unbefangenen Hören im Hintergrund kann es unter Umständen schnell mal in Vergessenheit geraten. Vielleicht muss man ein paar Mal aufhorchen, etwa bei „Wanna Sip“, weil der Song schon aus dem Indie-Radio bekannt ist, oder weil irgendwas von „Fuck“ und „Pussy“ zu hören war – was an Peaches‘ Provokationen und Auseinandersetzungen denken lässt. Oder aber, weil plötzlich heftige elektronische Beats und abgedrehte Tribal Drums durch die Gegend fliegen, wie in „IDK About You“, einem schnellen Dancetrack, dessen Beats einem M.I.A.-Stampfer entspringen könnten und dabei gleichzeitig an die Drums aus Animal Collectives „Floridada“ erinnern.
Nach dem ersten Hören von „Plunge“ kann dann aber nicht mehr unbefangen zugehört werden, denn wenn die Songs sich nicht gerade durch ihre Quirligkeit hervortun und die Hörenden anspringen, sind es die Hörenden selbst, die sich den Songs nähern und genauer darauf achten müssen, was hier eigentlich gerade passiert. Etwa im relaxten „Musn´t Hurry“, das wie eine Hymne für die Entspannung klingen könnte: endlich mal nichts tun, einfach mal nicht beeilen müssen. Wer genau hinhört, hört aber etwas Anderes: Eine Erzählung über Kämpfe, Verlangen, über das Abfinden mit den Umständen und am Ende die Erkenntnis, dass doch schon alles vorhanden ist, wonach gestrebt wird.
In “This Country” stellt Dreijer Andersson klare Forderungen: “Free abortions and clean water // Destroy nuclear // Destroy boring”. Sie selbst hatte die Hoffnung, dass Sex oder etwas Ähnliches wie Liebe die Welt noch retten könnte, was sie in den Zeilen: „Lovers got love in a love fest // Every time we fuck we win” besingt. Aber am Ende hatte sie doch die Einsicht, dass das ein Wunschdenken war und ruft dann auch in Endlosschleife: „This country makes it hard to fuck!”. Fever Ray stößt immer wieder an Grenzen mit „Plunge“, will unbequem und aufrüttelnd sein. Songs wie “An Itch” sind treibend und zäh wie Kaugummi zugleich, bleiben hängen. Nicht nur in den Videos spielt Dreijer Andersson wieder mit Verkleidungen, Verwandlungen und Verwirrungen, sondern auch in der Musik. Dabei geholfen haben ihr eine Vielzahl von Menschen. Paula Temple, Deena Abdelwahed, Nídia, Tami T, Peder Mannerfelt und Johannes Berglund waren im Studio zu Gast und haben die Songs mit ihr produziert. Die eigene Note der Gäste ist in jedem Fall in den Songs zu finden.
Fever Ray hat mit „Plunge“ ein politisches, wichtiges Stück Musik geschaffen. Im direkten Vergleich kommt sie damit aber keineswegs an die Leistung ihres Solodebüts von 2009 heran. Denn das Debüt ist nach wie vor ein Album, das ins Mark geht, das fesselt, das nicht mehr loslässt und über Jahre fasziniert. Vielleicht ist es aber auch der aktuellen Zeit geschuldet, dass „Plunge“ die eigentlich brisanteren Inhalte behandelt, aber es dennoch nicht schafft, so richtig wach zu rütteln.
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