Rezension

Fehlfarben

Handbuch für die Welt


Highlights: Politdisko // Traurige Geschichte // Teufel In Person // Das Schöne Herz
Genre: Punk // Rock
Sounds Like: Abwärts // Trend // Mittagspause

VÖ: 20.04.2007

Erinnerungen sind alles, was mir bleibt, nicht jede Vergangenheit war eine bessere Zeit.
Den Meisten, die diesen Text hier lesen, wird es gehen wie mir. Wir sind zu jung, um die Entstehung des Punk Anfang der 70er mitbekommen zu haben. Wir ziehen unser Wissen aus Büchern, oder vielleicht auch nur aus einem Buch, "Verschwende Deine Jugend", und aus der Musik, vielleicht auch nur aus einem Album, "Monarchie und Alltag". Die Fehlfarben haben es damals veröffentlicht, heute wird es als Meilenstein angesehen. Sie entstammen einer Szene, die unsere Gesellschaft verändert hat.

Schau mal, eine Fehlfarbe.
Wenn man durch deutsche Innenstädte läuft, sieht man sie überall: Punks. Sie schnorren, rotzen auf den Boden, pöbeln Leute an. Auf der anderen Seite stehen "Funpunks", mit gegelten Haaren, teuren Klamotten, Blink182-Abkömmlinge. Punk, um der Coolness Willen. Welche Relevanz hat diese Bewegung heutzutage noch, wurde eine Band, die letztes Jahr 26,5-jähriges Jubiläum gefeiert hat, nicht schon längst von der Gesellschaft überholt und in die Belanglosigkeit geschoben?

Es mag ja wirklich schlimm sein, und es tut mir vielleicht Leid, aber zum richtig gut sein, da hab ich keine Zeit.
"Handbuch für die Welt" ist ein wildes Album, das Schlagzeug poltert, die Gitarren sind bissig, der Bass verleiht den Songs die nötige Dichte. Und dazu singt Peter Hein, über alles und jeden meckernd und das so präsent, wie kaum ein anderer deutschsprachiger Sänger. Der Beat in "Politdisko" macht dem Liednamen alle Ehre, "Sprachlos" ist aggressiv, "Traurige Geschichte" düster-rockig, "Am Ende das Meer" atmosphärisch, "Geteilte Welt" nachdenklich. Selbst die Vertonung des Heine-Gedichts "Das schöne Herz" ist nicht der befürchtete Tritt ins Fettnäpfchen. Nur das unsägliche Monks-Cover "We Do Wie Du" hätten sie sich sparen können.

Du bist der Engel, der gefallen ist, und ich bin der Teufel.
In "Verschwende Deine Jugend" sagt Peter Hein einmal: "Das ist eine Grundregel: Die Musik von netten Leuten ist meistens Scheiße - und die Arschlöcher machen gute Musik." "Handbuch für die Welt" ist nicht nur gut, es ist relevant, es predigt ein Menschenbild, das zu sehr ins Abseits geraten ist. Der empfindsame Mensch gleichzeitig als politisches, gesellschaftskritisches Wesen. Wenn man will, kann man aus diesen Texten viel mehr herausziehen als man es in vier Absätzen beschreiben könnte, oder: man kann sich einfach nur von der Musik mitreißen lassen.

Matthias Kümpflein

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