Rezension
Envy
Atheist's Cornea
Highlights: Shining Finger // Ticking Time And String // An Insignificant Poem // Your Heart And My Hand
Genre: Postrock // Hardcore
Sounds Like: Mono // From Monument To Masses // Isis
VÖ: 10.07.2015
Bereits 2010, zum Release von „Recitation“, mussten wir betonen: Wer Envy hören will, dem kann es zumindest nicht schaden, Besonderheiten asiatischer und insbesondere japanischer Kultur im Hinterkopf zu behalten. Ein wichtiges Stichwort, das auf „Atheist's Cornea“ noch mehr an Bedeutung gewinnt: Kitsch. Eine gewisse japanische Empfänglichkeit für diesen zeigt nicht nur die winkende Katzenstatue, das zeigt auch die westliche Interpretation musikalischer Motive, der die andere große Postrockband aus dem Land der aufgehenden Sonne – Mono – und nun vermehrt auch Envy bedienen.
Denn Kitsch, das meint eigentlich nur einen Gefühlsausdruck, der für manche etwas plump daherkommt und deshalb nicht nachvollzogen werden kann – und davon lassen sich manche finden in „Atheist's Cornea“. Etwa, wenn das siebenminütige „Shining Finger“ nach seinem weitflächigen Gitarrenzwischenspiel in eine lange Streichersequenz mündet, oder „Ticking Time And String“ die erste halbe Minute nur aus Tetsuya Fukagawas leisem Gesang besteht. All das mag gerade für diejenigen, die Envy noch durch den Hardcore-Punk-Sound früherer Tage kennen, kitschig wirken – für viele andere verhelfen diese Elemente, gerade im Kontrast zu den bekannten Screamo-Ausbrüchen, den Songs dazu, ein anderes manchmal überstrapaziertes Attribut zu erreichen: episch.
Darüber hinaus ist es nun auch nicht so, dass Envy diesen Weg, dessen Beschreiten zum Beispiel Mono oft vorgeworfen wird, schon komplett abgelaufen hätten, ist „Atheist's Cornea“ doch in seiner Gesamtheit ein sehr abwechslungsreiches Album. So ist „Ignorant Rain At The End Of The World“ ein straighter Hardcoresong, „Footsteps In The Distance“ unterstreicht die Postrock-Affinität der Japaner und „Two Isolated Souls“ basiert so sehr auf seiner Härte wie das finale „Your Heart And My Hand“ auf seiner Melodiösität. Was all diese Songs jedoch gemeinsam haben, ist ihre schiere emotionale Intensität – ob nun durch Härte oder Sanftheit, Hardcore oder Postrock, und das sogar, ohne ein Wort von dem zu verstehen, das Fukagawa mal singt, mal säuselt. Wenn das manchmal Kitsch ist, okay – dann kann die Musikwelt aber dringend mehr Kitsch gebrauchen.
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