Rezension

City And Colour

If I Should Go Before You


Highlights: Woman
Genre: Experimenteller Folk
Sounds Like: Christian Kjellvander // Sun Kil Moon // Kristofer Aström

VÖ: 09.10.2015

Es hat fast den Anschein, als ob sich Dallas Green unsere Kritik an seinem letzten Album „The Hurry And The Harm“ zu Herzen genommen hat. Dort wurde ihm nämlich vor allem die mangelnde Abwechslung vorgehalten, die das Album zwar nett, aber letzten Endes auch sehr ähnlich zu seinen bisherigen Soloalben klingen ließ. Die Hoffnung also, sein neues Album "If I Should Go Before You" würde diesmal nun endlich aus der Reihe des bisherigen Folksounds tanzen, war daher im Vorfeld eher gering.

Doch bereits die ersten auftauchenden Details zu City And Colours neuem Album ließen einen hellhörig werden. Anstatt wie bisher wurde "If I Should Go Before You" nämlich nicht komplett von Green allein geschrieben, sondern stattdessen von City And Colours vollständiger Band, die bislang ausschließlich live auf der Bühne in Erscheinung getreten war. So wurde Green bei der Produktion und den Aufnahmen in den Blackbird Studios in Nashville unter anderem von Bassist Jack Lawrence (The Raconteurs), Gitarrist Dante Schwebel (Dan Auerbach) und Drummer Doug MacGregor (Constantines) begleitet. Eine Zäsur in der Geschichte von City And Colour, die jedoch in Anbetracht des immer gleich gebliebenen Sounds des früheren Alexisonfire-Frontmans ein absolut notwendiger Schritt war.

Und wie überfällig diese Entscheidung tatsächlich war, wird unmittelbar beim überragenden Opener „Woman“ offensichtlich. Denn statt des erwarteten, bekannten Lagerfeuersounds überraschen City And Colour mit einem über neun Minuten langen, experimentellen Stück, das mit seinem unfassbar fein arrangierten Sound irgendwo zwischen Postrock, Blues, Folk, Psychedelic und Progressive Rock alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Angereichert mit feinstem Gitarrensound, düsteren Drums und Greens unheimlicher Stimme gelingt City And Colour ein wahrhaftig düsterer Bandsong, der nicht nur den mit Abstand besten Song des Albums darstellt, sondern definitiv auch zu einem der besten Songs in der Geschichte von City And Colour gezählt werden kann.
Leider gelingt es Dallas Green und seiner Band im Anschluss nicht mehr, diese selbstauferlegte Messlatte mit einem der nachfolgenden zehn Songs erneut zu erreichen. Green bemüht sich zwar hörbar, mit verschiedenen musikalischen Genres zu experimentieren, wie beispielsweise beim countrylastigen Stück „Friends“ oder dem jazzigen Song „Killing Time“, doch so fantastisch wie bei „Woman“ gelingt es leider nicht noch einmal.

Dennoch möchte man am Ende von "If I Should Go Before You" irgendwie trotzdem nicht so richtig enttäuscht sein. Nicht nur, weil City And Colour mit „Woman“ gezeigt haben, wie viel Potenzial in ihnen steckt, sondern auch, weil Green sich tatsächlich zu Herzen genommen hat, nicht noch ein weiteres, fünftes Mal genauso zu klingen wie bisher.

Wenn es ihm jetzt noch gelingen würde, den Sound und die Qualität des Openers konstant auf die komplette Länge des Albums zu übertragen, gäbe es definitiv keinen Grund mehr, ihm irgendetwas vorzuhalten.

Benjamin Schneider

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