Rezension
Bilderbuch
Schick Schock
Highlights: OM // Spliff // Maschin // Barry Manilow
Genre: Pop
Sounds Like: Wanda // Fotos // Kreisky // Justin Timberlake // Jamiroquai
VÖ: 27.02.2015
Keine Frage: Maurice Ernst polarisiert. Während der Frontmann von Bilderbuch kürzlich von der österreichischen Ausgabe der GQ zum bestangezogenen Mann des Jahres gekürt wurde, könnte man ihn bei Livegigs (letztes Jahr zum Beispiel auf Festivals oder im Vorprogramm der Beatsteaks) ob seiner exzentrischen Bühnenshow auch für einen unsympathischen Poser halten. Ganz in der Tradition großer österreichischer Entertainer wie Falco, denn den mochte beileibe auch nicht jeder, doch der Erfolg gab ihm Recht. Und das ist auch bei Bilderbuch so, denn zumindest die österreichischen Shows der aktuellen Headlinertour sind bereits komplett ausverkauft. Bilderbuch bringen die Sexyness zurück in die deutschsprachige Popmusik, an der es nach Maurice Ernsts Bekunden latent mangelt. Nach wie vor mag man kaum glauben, dass es sich hier im Kern um ein Ensemble aus ehemaligen Klosterschülern handelt.
Und die Stiftsschule Kremsmünster kann stolz auf ihre Absolventen sein (ist sie möglicherweise auch), denn so vielseitig hat deutschsprachiger Pop tatsächlich schon lange nicht mehr geklungen. Hinzu kommt das vollkommene Gespür für Hits. Die Entschleunigungs-Hymne "OM" etwa ist der perfekte Ohrwurm, der sich so hartnäckig in den Gehörgängen festsetzt, dass man ihn bis zum Jahresende, wenn die Musikmagazine ihre Bestenlisten veröffentlichen, sicher noch nicht wieder rausbekommen hat. Stören könnte sich allenfalls der italophile Hörer daran, dass Ernst in den Lyrics das Wort "Lamborghini" falsch ausspricht. Ein knallgelber Lamborghini Diablo spielt auch die Hauptrolle im gefeierten Video zu "Maschin", in dem er von Ernst in beinahe erotischer Weise liebkost wird. Überflüssig zu erwähnen, dass auch dieses groovende Monstrum ein Hit vor dem Herrn ist.
"Steig jetzt in mein Auto, steig jetzt in mein Auto ein // 7 Türen, 70 PS, vorne geht der Wind so sehr" – bei allem Zelebrieren des Hedonismus nehmen sich Bilderbuch glücklicherweise nicht bierernst. Im Prinzip fahren die Lyrics einen von originellen Wortspielen durchsetzten Slalomkurs, hinter dem nicht immer ein tieferer Sinn stecken muss. Im Gegensatz etwa zu den penetranten Gesellschaftskritikern von Ja, Panik! drängen sich die Texte bei Bilderbuch nicht in den Vordergrund, sondern spielen mit der Musik und ergänzen diese lautmalerisch. Gerne wird auch mit Autotune nachgeholfen, was etwa in der RnB-Hommage an Barry Manilow perfekt mit den Ratatat-Gedächtnis-Synthesizern harmoniert. Ob Gitarrenrock, RnB, Hip Hop oder Funk – Berührungsängste scheinen Bilderbuch völlig fremd zu sein. "Schick Schock" dürfte für das Quartett aus Wien der Meilenstein sein, der auch in Deutschland endgültig für den Durchbruch sorgt. "Zuviel Hitze im Tiefkühlfach" ("Feinste Seide"), um sich dem noch zu entziehen.
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