Rezension

Bilderbuch

Magic Life


Highlights: Bungalow // Sprit N' Soda // Investment 7
Genre: Pop
Sounds Like: Wanda

VÖ: 17.02.2017

Die ehemaligen Klosterschüler (sic!) von Bilderbuch wurden für ihr letztes Album „Schick Schock“ völlig zurecht ordentlich abgefeiert. Das erhöht natürlich den Druck: Was soll da jetzt noch kommen? Doch die Jungs um Sänger Maurice Ernst wären nicht Bilderbuch, wenn sie sich von so etwas stressen ließen.

Ganz im Gegenteil, auf „Magic Life“ wird selbst der Stress umarmt. Und das so lasziv, selbstironisch und lässig wie noch nie: „Peitsch mich Baby, ich brauch' Hits“ („I <3 Stress“). Stressig hört sich das hier wirklich nicht an, und die Hits kommen später noch. Textlich gewohnt gaga singt Ernst in feinstem Denglisch über First World Problems und zieht die Verschwendungslust der oberen Zehntausend ordentlich durch den Kakao: „Ich komm' zu spät / Zu meiner Thaimassage / Hol' den Porsche aus der Garage“.

Die Ballade „Sweetlove“ ist dann eine Ode ans Klischee, das Bilderbuch immer noch zelebrieren, wo es nur geht. Die Gitarre singt, der Gesang schmachtet nur so dahin. Und bevor es doch zu viel wird, wird der Song zu seinem Ende hin disharmonisch zerbrochen. Die Single „Bungalow“ ist dann wieder auf Party getrimmt. Pseudo-religiös wird man eingeladen in eine Feriensiedlung „by the rivers of cash flow“. Geld wird zur Gottheit, alles ist inklusive im „Magic Life“. Das Leben als Hotelkomplex. Geht man eine Ebene hinter die funkigen Melodien, wird klar, wie bitter das eigentlich ist – statt Zwischenmenschlichkeit gibt es nur noch Oberfläche: „Ich brauch Power für mein Akku – Baby, leih mir deinen Lader!“

Der Ohrwurm „Sprit N' Soda“ führt dieses Motiv gleich im Anschluss fort. Man fühlt sich erinnert an deutsche Popliteratur und Tristesse Royale. Im Adlon ebenso wie im „Magic Life“ zählt eben nur, welche Marke man trägt, fährt, ist: „Wir sind Skoda-Crash-Stuntshow / Highlife im Bungalow / Snacks für die Late-Night-Show / By the rivers of cashflows, rivers of cashflow.“

Im Titelsong, der eigentlich nicht viel mehr als ein kurzes Interlude ist, wird der Spuk dann so deutlich wie in keinem anderen Song des Albums aufgelöst. Die einen schwimmen im Geld, andere ertrinken in der Zwischenzeit. „Papa haut sein neues Auto / Gegen irgendeinen Bau / Füllen's auf, den Prosecco / Füllen's auf.“ Man fragt sich unweigerlich: Geht's uns eigentlich zu gut? Sind vielleicht gerade die Banalitäten, die das komplette Album über besungen werden, politisch? Und ist das „Magic Life“ Himmel oder doch Vorhölle?

Wir wissen nichts davon sicher, außer: Bilderbuch polarisieren. Und sie liefern erneut ein musikalisch unfassbar abwechslungsreiches Album ab. Auch wenn es nicht ganz an den Vorgänger herankommt, so ist es doch eines, über das man sich streiten sollte. „Ja, ich weiß, ich bin so fesch, fesch, fesch / Aber hilflos ohne Stress.“

Christoph Herzog

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