Rezension

Atari Teenage Riot
Reset
Highlights: J1M1 // Reset // New Blood
Genre: Digital Hardcore
Sounds Like: Alec Empire // Nic Endo // Hanin Elias // The Prodigy // Intro5pect // Chicks on Speed
VÖ: 06.02.2015

"Reset" – nochmal zurück auf Anfang? Atari Teenage Riot haben zweifellos eine bewegte Bandgeschichte hinter sich. Nach dem tragischen Tod von Gründungsmitglied Carl Crack und der darauf folgenden Trennung der Band kam die vielbeachtete Ankündigung einer Reunion im Jahr 2010 für Außenstehende einem kleinen Wunder gleich. Doch obwohl sich das Personalkarussell über die Jahre einmal komplett um Mastermind Alec Empire herum gedreht hat, bleibt der düstere, aggressive Sound des Trios eine Konstante. Demnach könnte man den Albumtitel "Reset" durchaus als Versuch interpretieren, die Gründungszeit noch einmal neu aufleben zu lassen. Tatsächlich verstehen Atari Teenage Riot "Reset" aber als Metapher dafür, die Vergangenheit inklusive ihr anhängiger Konflikte hinter sich zu lassen und stattdessen Lösungen für die Zukunft zu finden.
Das merkt man zuallererst an den Lyrics: Hier haben sich Atari Teenage Riot spürbar weiterentwickelt und wirken nun etwas reflektierter als zu Zeiten der anarchistischen Agitation der frühen Jahre. Grund zur Besorgnis gibt dem Trio unter anderem die zunehmende Kontrolle der Regierungen, deren Verstrickungen mit multinationalen Konzernen sowie die programmatische Manipulation der Medien – Lost in the freedom we found greed and control, wie es im musikalisch noch vergleichsweise gemäßigten und ziemlich eingängigen Opener "J1M1" prägnant ausgedrückt wird. Dennoch bleibt die Grundstimmung aufgrund der alles andere als zimperlichen Darbietung der Texte aggressiv und aufpeitschend.
Die scheinbar chaotische musikalische Untermalung aus sägenden Gitarrenriffs, zur Sirene überdrehten Synthesizern und harten Beats inklusive ständiger Tempowechsel leistet dazu ihren entscheidenden Beitrag. Alles auf elektronischer Basis, wie der Name des schon vor zwei Jahrzehnten selbst gegründeten Labels "Digital Hardcore Recordings" durchscheinen lässt. Und das allein schon deswegen, weil die meisten menschlichen Drummer bei den Temporegionen, in die auf "Reset" teils erneut vorgestoßen wird (vor allem in "Transducer"), nach spätestens fünf Minuten komplett ausgelaugt vom Stuhl fallen würden.
Vom Stuhl fallen würde auch Otto Normalhörer nach knapp 43 Minuten Beschallung mit "Reset". Aber das erscheint nur konsequent, entstand genau dieser charakteristische Sound Anfang der 90er doch unter anderem aus der Bestrebung heraus, sich nicht beim Mainstream anzubiedern, was Techno, Punk und Hip Hop zunehmend taten. Die so geschaffene Nische klingt auch im Jahr 2015 noch aktuell, wobei sich sämtliche Atari-Teenage-Riot-Alben nur für bestimmte Situationen eignen. Im Auto hören sollte man sie jedenfalls lieber nicht, sofern man seinen Führerschein noch etwas länger behalten möchte. Kurzum: "Reset" ist anstrengend, brachial und sicherlich kein Genuss im eigentlichen Sinne. Aber das ist auch gar nicht die Absicht. Den Hörer aufzuwühlen und aus der Lethargie zu reißen, ist auch nicht zu unterschätzen. Heute genauso wenig wie vor 20 Jahren.
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