Rezension

All Diese Gewalt

Andere


Highlights: Andere // Blind // Sich Ergeben
Genre: Post-Punk // Pop // Darkwave
Sounds Like: Die Nerven // Karies // Levin Goes Lightly

VÖ: 06.11.2020

„Die Hölle, das sind die Anderen“, befand einmal Jean-Paul Sartre. Bei Max Rieger sind die Anderen „schön und unüberwindbar“ und die Hölle beginnt manchmal auch schon bei den eigenen Unzulänglichkeiten. Er kann gleich mehrere Lieder davon singen – auf „Andere“ versammelt er sie zu seinem dritten Album unter dem Pseudonym All Diese Gewalt und bringt diese passend in der Jahreszeit der Melancholie heraus.

„Nichts kommt mir zu nah, Zweifel immer da“ heißt es da am Anfang und das reicht schon, um die Grundstimmung zu erahnen, die fortan durch das Album geleitet. Lange, über etwa vier Jahre, hat Rieger die Songs mit sich herumgetragen, immer wieder verfeinert und verändert. Mit der Veröffentlichung entledigt er sich nun des Ballasts auf seinen Schultern – all der Schmerz, der in die Songs floss, sei „ab jetzt nicht mehr mein Problem“, so der umtriebige Produzent jüngst in einem Interview.

Wie ein Film der „Alien“-Reihe beginnt „Halte Mich“ mit einem knarzenden, cinematischen Swoosh-Sound. Die Bestie heißt hier Perfektionismus und lauert hinter jeder Ecke. Es dauert nicht lange, da tut es Rieger inmitten des Schlagers im Goth-Gewand „Erfolgreiche Life“ ein zweites Mal, tritt inmitten des Refrains auf die Bremse und lässt den aufgetürmten Bombast in der dröhnenden Stille eines schwarzen Lochs untergehen. „Andere“ ist bis in den letzten Winkel durchproduziert.

Die größten Stärken offenbaren sich, wenn Rieger den Fokus auf seine unverkennbaren, leicht angezerrten, leicht verhallten, aber dennoch klar im Raum stehenden Gitarren legt („Grenzen“). Dieser Sound machte den Wahl-Berliner bekannt und findet sich mittlerweile auch auf von ihm produzierten Alben (siehe Ilgen-Nurs „Power Nap“), so dass man hier schon von einer Trademark sprechen kann. Oder wenn um Rieger herum alles still wird und er nur von einem Piano begleitet eine gewaltige Atmosphäre erzeugt („Blind“). Nicht zuletzt wären da seine Fähigkeit, musikalische Sphären zu kreieren („Andere“), die sich bereits auf den Vorgängeralben von All Diese Gewalt zeigte und sich auch in seiner Neigung zur Produktion von Soundtracks ausdrückt.

„Andere“ wirkt wie eine Werkschau Max Riegers. Wenngleich der Produzent hier aus dem Vollen schöpft, so bleibt der Musiker streckenweise blass. Manche Songs wie etwa der stampfende Darkwave-Ausflug „Gift“ oder der Pop-Rocker „Etwas Passiert“ leiden unter einem hohen Anspruch – ein wenig mehr Spontanität im Songwriting hätte hier gut getan. So darf man am Ende doch insgeheim froh sein, dass nun gesagt ist, was zu sagen war, und gespannt den nächsten Output des Musikers erwarten.

Jonatan Biskamp

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