Rezension
Algiers
The Underside Of Power
Highlights: Cry Of The Martyrs // The Underside Of Power // The Cycle/The Spiral: Time To Go Down Slowly
Genre: Post-Punk // Soul
Sounds Like: The Birthday Party // Sioux And The Banshees // Nine Inch Nails // Cold Specks
VÖ: 23.06.2017
The revolution will not be televised, so warnte Gil Scott-Heron schon 1970. Er mag damit noch heute recht haben, aber: Die Revolution wird fraglos getwittert, gesnapt und bei Instagram verbreitet werden und als solch mediales Großereignis eines entsprechenden Soundtracks bedürfen. Ein Kandidat für diesen wären Algiers.
Denn ein Soundtrack für Rebellion und Umbruch muss zum einen fesselnd genug sein, um Menschenmengen mitreißen zu können, darf die Schwere seines Inhalts aber auch nicht durch zu große Leichtigkeit konterkarieren. Auf ihrem Debüt, das Postpunk und Soul vermischte, gelang es den Südstaatlern Algiers bereits hervorragend, auf Songs wie „Old Girl“ strahlende Melodien mit kreischend-atonaler Instrumentierung zu verdüstern. Wenn Franklin James Fishers ausdrucksstarker, gospel-erprobter Gesang dazu über Politik und Religion predigte, verstärkte dies das Unbehagen nur noch – ein Stil, der sich am besten mit dem Genre-Neologismus „Dystopian Soul“ in Worte fassen ließ.
An beiden Extremen – sperrigem Postpunk und eingängiger Schönheit des Gospel – setzt „The Underside Of Power“ weiter an und verband sie bereits im vorab veröffentlichten Titeltrack zu einer Hymne der Unterdrückten, deren Jahrhundertmelodie wohl ebenso gut in die Strandbar wie den Klassenkampf gepasst hätte. Der „Death March“ schöpft seine Wucht aus dem stampfenden Beat des ehemaligen Bloc-Party-Drummers Matt Tong, während das abschließende „The Cycle/The Spiral: Time To Go Down Slowly“ mit Jazzklavier und einem Strudel aus Chören und Echos das Ende einläuten. „The Underside Of Power“ wirkt an vielen Stellen noch sperriger, noch finsterer als sein Vorgänger.
Leicht wäre es, diese Entwicklung auf aktuelle politische Entwicklungen in den USA zurückzuführen, die einen farbigen Südstaatler wie Fisher im Kern erschüttern müssen. Doch ist es eine Stärke von Algiers auf „The Underside Of Power“, dass sie in all der Wut, all der Frustration nie zu konkret-aktuell werden, sich nie auf simplen Reaktionismus beschränken. Das Album erzählt keine Geschichten, es vermittelt Gefühle – beklemmende, mulmige Gefühle. Und ein bloßes Gefühl kann oft das sein, woraus die größten Veränderungen erwachsen.
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