Rezension
A Whisper In The Noise
Dry Land
Highlights: A New Dawn // Sons // Armament // Beauty's Grace
Genre: "Orchestral Garage Rock"
Sounds Like: Gravenhurst // The Paper Chase // A Silver Mt. Zion
VÖ: 05.10.2007
Demokratie und Mitbestimmung sind manchmal ganz schön überbewertet. Wir kennen das ja alle noch aus der Schulzeit - Gruppenarbeit klang immer nach einer tollen Sache, resultierte aber jedesmal in Diskussionen über das kommende Wochenende innerhalb der Gruppe; Leistung wurde nur dann erbracht, wenn der Streber sich alleine an die Arbeit machte, ohne von anderen Gruppenmitgliedern gestört zu werden. In der Musikwelt läuft das häufig ähnlich, man stelle sich einmal vor, Trent Reznor müsse sich von nervigen Bassisten, Schlagzeugern et cetera reinreden lassen, wie neue Nine-Inch-Nails-Platten zu klingen haben! Ein ähnlicher Alleingänger ist West Thordson aus Minnesota. Der Name seines Projektes: A Whisper in the Noise.
Zumindest kein Name, der die Musik von Thordsons Projekt passend beschreibt, denn mit Noise ist erst einmal nicht viel. "Dry Land" wird ganz im Gegenteil zunächst von einigen wenigen sanften Klaviertönen eröffnet, hier und da im Hintergrund von einer Akustikgitarre begleitet, die zusammen mit Thordsons sanftem Gesang eine Traumlandschaft schaffen, in die man unaufhaltbar eingesogen wird, ähnlich einlullend trotz präsenteren Schlagzeugs wirken auch "Awaken To Winter" und "A New Dawn". Und es sind schöne Träume, in die man versinkt, von friedlichen, idyllischen, verschneiten Winterlandschaften, durch die man spaziert, ungestört, mit sich und dem Kosmos im Einklang.
Ihre Stärke spielen AWITN jedoch dann aus, wenn die Harmonie des Traumlandes gestört wird. So zunächst anfänglich in "This Time, It's" in dem ein Dur-Akkord auf dem Piano ohne Vorwarnung in Moll gespielt wird und man sich fragt, ob man da nicht ein Rascheln hinter sich im Gebüsch gehört hat. Wenn in "Sons" dann ein schräges Cello die Führung übernimmt und Thordson seine Stimme durch einen Verzerrer jagt, raschelt es nicht nur, man entdeckt Schatten neben und hinter sich, der Himmel wird zunehmend dunkler. Hallo, ist da wer? Verfolgungswahn in Reinkultur, das Traum- wird zum Albtraumland. "Armament" weckt gleich darauf Erinnerungen an die Titelmelodie der "Halloween"-Filme, bevor die Paranoia ab "You, The Orphan" dann verschwinden, die Dämmerung aber trotzdem unwiderruflich über die stille Winterlandschaft einbricht. Mit dem wunderschönen, sehr ruhigen "Beauty's Grace" wird es schließlich Nacht, der Abschlusssong "True Love Will Find You In The End" entlässt den Traumgänger schlussendlich wieder in die harte Realität des Alltags.
Und auch wenn der echte Winter noch früh genug kommt, flüchtet man sich nach dem Aufwachen gerne wieder und wieder in die verschneite Traumwelt, erlebt erneut die Harmonie, den Verfolgungswahn, den Einbruch der Nacht. Manchmal fragt man sich jedoch auch, ohne Fan von Paranoia und Horrorfilmen zu sein, warum dem Cello nicht regelmäßiger Beachtung geschenkt wird, wenn dadurch so eine kribbelige Gänsehaut wie in "Sons" verursacht werden kann. Dass A Whisper In The Noise aber hin und wieder ausgerechnet den Noise vermissen lassen, ist einer der wenigen Kritikpunkte an "Dry Land". Das der Bandname also etwas widersprüchlich ist, kann und sollte man einem viel beschäftigten West Thordson nicht zum Vorwurf machen, der nicht nur die Musik seines Projektes vollständig selbst komponiert, sondern sich auch noch die Mühe macht, sich eine eigene Genrebezeichnung dafür auszudenken. Er nennt AWITN "Orchestral Garage Rock". Ich nenne sein Album die atmosphärischte Platte seit Langem.
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