Interview
Kiasmos
Im éclat-Interview mit Ólafur Arnalds im vergangenen Jahr kam es bereits zur Sprache, das anstehende Kiasmos-Projekt. Ólafur war sich damals sicher, dass die Deutschen Kiasmos wegen dem Berliner Minimal-Sound lieben werden. Recht hat er gehabt, denn das Kiasmos-Album kam sehr gut an. "Ja! Es läuft sehr gut!", sagt Ólafur begeistert, und Janus ergänzt: "Wir sind nicht nur vom deutschen Erfolg überrascht, interessanterweise kommt es überall gut an!" Da Ólafur schon im Vorhinein geahnt hat, dass es den deutschen Musikliebhabern gut gefallen wird, stellt sich die Frage, ob sie genau eine solche Zielgruppe schon im Studio vor Augen gehabt haben. "Nein, wir haben es einfach nur für uns gemacht", sagt Ólafur. "Wir sind sehr egoistische Personen!" wirft Janus ein und lacht.
Nein, egoistisch wirken die beiden auf keinen Fall – vor allem, wenn man bedenkt, dass sie außer sich selbst mit ihrer Musik noch ziemlich viele andere Menschen glücklich machen. Zufrieden stellen sie auf jeden Fall auch viele Auftraggeber, die bereits bestimmte Ideen im Kopf haben und sie als Musiker beauftragen, aus diesen Ideen Songs zu komponieren. Solche Arbeitsaufträge kommen immer mal wieder ins Haus. Sind sie eine gelungene Abwechslung für die beiden, oder genießen sie es eher, freier kreativ zu sein und ihre eigenen Vorstellungen auszuleben? "Es ist gut, ein wenig von beidem zu machen. Zu viel Freiheit kann auch manchmal gefährlich sein. Es tut immer mal wieder gut, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die dir einen bestimmten Rahmen stecken und Vorgaben machen", sagt Janus und Ólafur wirft ein: "Man kann viel von solchen Aufträgen lernen! Du musst nämlich in einem eng gesteckten Rahmen sogar noch kreativer sein, um etwas zu erschaffen, mit dem du auch zufrieden bist. Oft bemerkt man bei solchen Aufträgen auch, wie eingefahren man denkt und agiert und hat die Chance, sich neu auszuprobieren. Die neu gewonnenen Erkenntnisse kann man dann wiederum für seine eigene Arbeit nutzen. Genauso kann man viel davon lernen, wenn man mit anderen Künstlern kollaboriert."
Photo Credit: Marlena Julia Dorniak
Kollaborationen sind ein gutes Stichwort, denn Janus und Ólafur sind in so einigen Projekten beschäftigt. "Es gibt da eine neue Kollaboration – über die dürfen wir aber nicht sprechen!", sagt Ólafur und lacht. Janus zeigt währenddessen auf das alles andere als unauffällige Armband an Ólafurs Handgelenk. Ein pinker, glitzernder Streifen Plastik, auf dem in großen Lettern "Trance Frendz 1 ♥ 9" geschrieben steht. Die Freundschaftsarmbänder hatte er gemeinsam mit seinen Freunden von Erased Tapes Records den Tag über auf dem Gelände an ausgewählte Festivalbesucher verteilt, die somit "Trance Frendz" wurden. Der Link, der mehr Informationen verspricht, enthält schon die wichtigste: www.arnaldsfrahm.com – eine Kooperation von Ólafur Arnalds und Nils Frahm. Beim Haldern Pop selbst bot sich die beste Gelegenheit, den Fans einen ersten Vorgeschmack zu geben. Ólafur gesellte sich für einen Song zu Nils auf die Bühne und umgekehrt kam Nils zum Kiasmos-Konzert dazu, um einen unvergesslichen Musikmoment in den Köpfen der Menschen zu hinterlassen.
Die Kollaboration auf der Bühne wirkte perfekt durchdacht und gleichzeitig wie eine situative Jam-Session. Ólafur selbst hatte in anderen Interviews erzählt, dass seine Kompositionen bis auf den kleinsten Ton genau stimmig und durchgeplant sein müssen. "Ja, so haben wir auch dem Kiasmos-Album den Feinschliff verpasst. Das war aber nur der letzte Schritt. Die Produktion war eine Kombination aus Improvisation und Perfektion. Wir wollen nicht jede Note 100% an der richtigen Stelle haben, dann wird es langweilig. Es ist auch nicht so, dass wir gar keine Fehler zulassen, sie müssen nur an der richtigen Stelle auftreten (lacht). Wenn Fehler passieren und wir sie im Nachhinein als gut empfinden, können sie so bleiben – wenn nicht, fangen wir wieder von vorne an!", sagt Ólafur und lacht dabei. "Wir beginnen unsere meisten Treffen mit einer Jam-Session, aus der dann etwas entsteht. Manchmal kommt ein Pop-Song dabei heraus, der nicht im Entferntesten nach Kiasmos klingt. Aber dann denken wir: was solls, lassen wir den Song so und verkaufen ihn an irgendeinen Pop-Sänger!" spaßt Ólafur, und er und Janus amüsieren sich darüber.
Photo Credit: Marlena Julia Dorniak
Die Songs von Kiasmos wecken so einige Assoziationen bei ihren Hörern. Sie könnten zum Beispiel ein guter Soundtrack sein, um ins Weltall zu reisen und ferne Planeten zu entdecken. "Oh ja, das kann ich mir gut vorstellen! Obwohl, wenn ich im Weltall wäre, würde ich lieber keine Musik hören, sondern nur dem Weltall zuhören!", sagt Ólafur begeistert. Aber hört man nicht nichts im Weltall? "Ja, das ist doch die faszinierende Sache daran!" ruft Ólafur begeistert und lacht. "Ist das nicht unglaublich?! Kein Geräusch um dich herum! Das muss man sich mal vorstellen!" stimmt Janus zu. Die Frage, ob Ólafur, wenn er könnte, ins Weltall reisen würde, beantwortet er für sich ganz klar: "Ich würde auf jeden Fall wollen und ich werde es auch tun! Es gibt schon einige Anbieter und die Preise sinken bereits... in 10-15 Jahren sollte es auf jeden Fall möglich sein, ins Weltall zu reisen!" Vielleicht wird Ólafur ja einen Soundtrack für eine Space Company schreiben, und dafür einen kostenlosen Trip bekommen. "Wenn es möglich wäre, sich einen Planeten auszusuchen, auf den ich reisen könnte, würde ich gerne zum Uranus und mir von dort aus die Ringe um den Uranus anschauen. Aber das tatsächlich Beeindruckende am Weltall soll ja nicht das Weltall sein, sondern das Erlebnis, die Erde von dort oben zu sehen. Es gibt psychologische Untersuchungen zum Overview-Effekt. Menschen, die die Erde von dort oben gesehen haben – diesen kleinen, blauen Punkt in der großen Weite – realisieren, wie nichtig all die Probleme auf der Erde sind. Wie sinnlos es ist, Kriege zu führen und Grenzen zu haben, auf einem solchen kleinen Fleck im Universum. Es verändert dein Leben! Manche Menschen bekommen auch Depressionen, nachdem sie dieses Erlebnis hatten. Aber andere realisieren, dass es keinen Unterschied zwischen Schwarz und Weiß gibt, dass alle Menschen gleich sind. Wenn ich eines Tages sehr viel Geld habe, werde ich ein Charity-Projekt starten, bei dem ich Rassisten und homophobe Menschen ins All schicke! Ich werde sie alle einladen, mit meinem Spaceship ins All zu fliegen. Wenn sie die Erde von dort oben gesehen haben, werden sie keine Menschen mehr wegen ihrer Religion töten wollen, oder andere absurde Dinge tun", so Ólafurs Idee zur Weltverbesserung.
Dan Deacon hatte also Recht, als er am Tag zuvor vermutet hatte, dass Kiasmos, die auf Island leben, philosophische Menschen sein müssen. Er hatte sich eine Frage für das Interview mit Kiasmos überlegt: "Wer von deinen Freunden und geliebten Personen ist die größte Inspiration für dich, um eine kreative Person zu sein?". Für Janus ist die Antwort ganz klar. Es ist ein seelenverwandter Kindheitsfreund. Wenn die beiden zusammenkommen, um Musik zu machen, brauchen sie keine Regeln, da sie sich so gut kennen, dass es von selbst funktioniert. "Boah, jetzt bin ich eifersüchtig!", sagt Ólafur halb im Scherz, da sich die Beschreibung so harmonisch anhört. "Bei mir ist es meine Großmutter. Sie hat mir viel klassische Musik gezeigt. Es ist oft so, dass, wenn ich Musik mache, ich zufälligerweise etwas kreiere, das mich an gute Zeiten in meiner Kindheit erinnert. Ich mache gerne Musik der Nostalgie wegen."
Schöne Kindheitserinnerungen werden auch wach, wenn man sich vorstellt, wie sein Gegenüber als Tier aussehen könnte. Das ist nämlich der Auftrag von Kiasmos an den nächsten Interviewpartner: "Ordnet euch gegenseitig eure Seelentiere zu". Laut Janus ist Ólafur ein großer weiser Affe und Janus laut Ólafur ein lilanes Einhorn. Janus hat viel Spaß bei der Gestaltung seines lilanen Einhorns im Interviewbuch, das eine künstlerische Meisterleistung geworden ist, wie ihr im Bild unten sehen könnt. Mit Glitzer und viel Liebe. Wenn es von Kiasmos ein Kunstbuch im Merchandise zu kaufen gäbe, wäre das bestimmt auch ein großer Erfolg.
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