Interview
Gerard
Die Tour läuft ja nun auch schon eine Weile und du hast nur noch drei Termine vor dir. Was ist denn dein Resümee bisher?
Gerard: Alles perfekt! Wir hätten nie gedacht, dass es so gut läuft. Nur jetzt gerade haben wir große technische Schwierigkeiten, und in einer halben Stunde gehen hier die Türen und Tore auf, und ich hoffe, dass das klappt. Aber sonst alles bestens. Es war fast ausverkauft alles, und die Leute rappen mit, und man bekommt Feedback und so, ist echt geil.
Ihr hattet das nicht erwartet, dass alles so erfolgreich läuft, oder?
Gerard: Ich habe eigentlich gar nicht darüber nachgedacht, wie es läuft, weil die ganze Zeit immer noch so viel zu tun war. Ich dachte schon, es kann sein, dass in manchen Städten nur 40 bis 50 Leute sind, und es war wie gesagt fast alles ausverkauft, das ist echt krass.
Ist das auch für dich jetzt wichtig – als Feedback?
Gerard: Voll, also wir haben ja jetzt auch zum ersten Mal eine funktionierende Live-Show, auch wenn es heute nicht so danach aussieht. Aber das Ganze live umzusetzen, war uns natürlich extrem wichtig, denn live zu spielen ist eines der wichtigsten Dinge.
Das Album hattet ihr in diversen Kellern und Studios zusammengebastelt.
Gerard: Ja, wir haben dann viel in Proberäumen herumprobiert, und das hat ganz gut geklappt.
Kannst du ein bisschen etwas dazu sagen, wie ihr überhaupt auf diesen Sound kamt?
Gerard: Ich glaube, wir sind eben voll die Nerds. Wir durchforsten auch selbst die Blogs und klicken uns auf Soundcloud stundenlang durch, jeder von uns. Und dann spielt man sich gegenseitig die Sachen vor, die man entdeckt hat, und so inspiriert man sich gegenseitig zu den Sounds, zu denen man hin will. Und auch das DJ-Booking in Wien ist voll gut, also da haben unsere Sound-Idole schon vor fünf bis sechs Jahren aufgelegt.
Also sind es vor allem DJs, die dich da inspirieren?
Gerard: Ja, Produzenten. Hudson Mohawke und solche Leute haben uns vom Sound her sehr beeinflusst.
Ich finde, "Blausicht" ist ein sehr geschlossenes Album. Es gibt zum Beispiel einen Rahmen, den du mit Field Recordings am Anfang und am Ende spannst, oder auch das Kaffee-Motiv, das im ersten und letzten Song des Albums auftaucht. Würdest du selbst sagen, es ist ein Konzeptalbum?
Gerard: Ja, auf jeden Fall. "Konzeptalbum" klingt ja manchmal auch sehr verkopft, das ist es nicht einmal. Aber ich habe mich schon bemüht, dass es ein homogenes Soundbild abgibt.
War das auch am Anfang die Idee?
Gerard: Ja, schon immer, auch schon beim letzten Album von mir, "Blur". Da habe ich sehr darauf achtgegeben, dass es ein stimmiges Bild und Konzept ist.
Worum geht es, deiner Meinung nach, auf dem Album?
Gerard: Übers Leben. Über mein Leben der letzten Jahre eigentlich, und das Leben von meinem Umfeld und meinen Freunden.
Ich sehe da ziemlich viele verschiedene Themen, die immer wieder auftauchen. Es ist ja auch eine Art "Großstadt-Album" zum Beispiel, und dann steckt da für mich auch viel Vergangenheitsbewältigung und Selbstfindung drin.
Gerard: Das auf alle Fälle auch, ja.
Du wohnst in Wien und bist viel in Berlin unterwegs. Was macht für dich das Leben in der Großstadt reizvoll?
Gerard: Es macht so lebendig, es pulsiert immer alles und du siehst immer Leute. Und egal um welche Uhrzeit, du weißt, dass immer Leute da sind, die etwas machen. Ich finde, das belebt voll. Ich bin eigentlich aus einer Kleinstadt und das finde ich natürlich auch immer wieder geil zum Runterkommen, aber es ist dann einfach mit der Zeit echt langweilig und du weißt halt nicht, was du tun sollst. Und deswegen liebe ich auf jeden Fall die Großstadt.
Du meintest einmal, dass du aber nicht nach Berlin ziehen würdest, weil da einfach zu viel Ablenkung ist. Und auch, dass man manchmal das Gefühl hat, dass man da auch leben kann, ohne in irgendeiner Form weiterzukommen.
Gerard: Ja, auf jeden Fall besteht die Gefahr, aber ich denke, das ist auch je nach Mensch unterschiedlich. Also ich weiß nicht, wenn ich in Berlin leben würde, ob da wirklich gar nichts mehr weitergehen würde. Aber meine ganze Homebase, meine ganzen Freunde, die sind in Wien, und mir gefällt es da voll gut, von daher bleib ich erst mal dort.
"Blausicht" ist zum Teil sehr persönlich, und dann hat es aber auch manchmal einen appellativen Charakter, finde ich, ein bisschen wie ein Aufruf. Möchtest du auch etwas erreichen mit der Musik oder in irgendeiner Form wachrütteln?
Gerard: Ja, also ich mag ein bisschen an die Leute appellieren, dass man optimistisch sein soll, glaube ich. Optimistisch sein ist für mich schon immer so ein Punkt, den ich von Leuten angenommen habe, die ich bewundert habe, oder wie auch immer man das nennen will, zu denen ich aufgeschaut habe, die mir schon immer zu verstehen gegeben haben, dass man viel durchmachen muss und man immer wieder Rückschläge erlebt, aber dass es trotzdem im Großen und Ganzen immer bergauf geht.
Es ist für dich also auch ein optimistisches Album?
Gerard: Auf jeden Fall. Mir ist schon bewusst, dass dann natürlich dazwischen immer wieder melancholische Dinge drin sind, aber grundsätzlich ist es durchaus optimistisch, ja.
Vom Sound her ist es für mich eher düster.
Gerard: Ja, das stimmt, vom Sound her ist es das schon. Aber die Texte sind immer wieder aufmunternd, würde ich sagen.
Kostet es dich Überwindung, auch sehr persönliche Dinge anzusprechen?
Gerard: Eigentlich denke ich darüber gar nicht nach, weißt du, Musik machen ist für mich: ich setz mich irgendwo hin und das kommt immer so über mich, und dann mach ich das einfach. Und ich denk nicht, wem das gefallen könnte oder ob mich das irgendwie angreifbar macht oder wie auch immer, und wenn ich rappe, dass ich traurig wegen einer Frau bin, wer war das nicht. Das heißt ja nicht, dass ich kein cooler Typ bin, von daher bin ich da relativ gechillt. Ich bin ja eigentlich ein entspannter Mensch, wenn da nicht gerade so ein Soundhorror ist.
Du hast Jura studiert und das Studium auch abgeschlossen. Wie passt das für dich mit der Musik zusammen, oder wann kam da der Punkt, als du gesagt hast "Ok, ich mach jetzt dieses Musik-Ding"?
Gerard: Ich wollte schon immer Musik machen, aber es war überhaupt nie absehbar, dass man das irgendwie als Beruf machen kann. Jetzt gerade ist es ja auch so in der Übergangsphase, aber ja, ich wollte es schon immer machen. Aber ich wollte eben auch irgendwie eine Sicherheit und einfach was machen. Und als ich dann fertig wurde mit dem Studium, da war klar: jetzt muss ich mich entscheiden. Es geht nicht mehr, dass ich Musik mach und nebenbei arbeite, weil die Arbeit so viel Zeit einnimmt, dass du gar keine Inspiration mehr hast, dass du nach der Arbeit dich auch hinsetzen und kreativ sein kannst. Und da wusste ich dann, okay, ich muss mich jetzt für eins entscheiden. Und das war für mich klar, dass das die Musik ist, oder Kunst im Allgemeinen.
War es schwierig für dich, das durchzuhalten?
Gerard: Ja, sehr. Also gerade das letzte Semester waren wir auch schon mit Pi auf Tour, immer aufs Wochenende, also Donnerstag, Freitag, Samstag und dann schon teils aufnehmen fürs Album, also mit dem Nachtzug um sechs Uhr in Wien ankommen und um acht Uhr dann in die Prüfung. Das war echt ganz, ganz anstrengend, und ich bin echt froh, dass das vorbei ist.
Das heißt, du bist ein relativ besonnener Typ, wenn du sagst "okay, ich zieh das jetzt noch durch"?
Gerard: Ja, es war einfach schon so weit, weißt du, dass ich mir gedacht hab, da schieb ich eher noch die Musik auf dieses halbe Jahr, weil ich hab schon so viel reininvestiert. Also es ist ja auch echt viel Aufwand so ein Studium, und da wusste ich sowieso, ich kann das jetzt nicht einfach abbrechen.
Da hätte ich noch eine Frage zu einem deiner Songs, den ich, glaube ich, noch nicht ganz verstanden habe. "Welt Erobern / Behalten" mit diesen beiden verschiedenen Parts, kannst du da etwas zu sagen?
Gerard: Also "Welt Erobern" fängt ja so an: du trinkst dich warm mit deinen Freunden auf der Dachterrasse und siehst auf die Lichter der Stadt und gehst in das Nachtleben und willst die Stadt erobern oder eben die Welt. Und dann am nächsten Tag "Welt Behalten": du stehst auf, gehst zur Uni und du denkst dir wieder so "okay, vielleicht passt das schon so, wie das jetzt alles ist und ich muss mir selbst gar nicht so hohe Ziele setzen, sondern es passt so, wenn es auch gesettleter ist", aber ich bin natürlich eher für Welt erobern als behalten.
Also geht es da auch um die Entscheidung, von der du gerade gesprochen hast?
Gerard: Ja, genau.
Ist der Song auch zu der Zeit entstanden?
Gerard: Ja, also die Optimistischen. Positiven sind eher am Schluss entstanden und "Raten" zum Beispiel auch noch, wo ich mir viele Gedanken mach, und "Standby" sowieso ganz am Anfang, darum ist das auch nicht mehr auf dem Album drauf.
Wie siehst du denn momentan so die Deutschrap-Szene? Ich habe das Gefühl, dass da gerade so eine Entwicklung ist, dass sich da viele entfernen vom "klassischen" Rap.
Gerard: Ich schau da gar nicht so auf die Deutschrap-Szene, Hauptsache geile Musik sag ich mir immer. Und ob Casper jetzt Pop macht oder Rap, oder wie man das alles betiteln will, find ich alles echt scheißegal, es geht da eigentlich nur um gute Musik in der heutigen Zeit, und das ist das Wichtigste, dass sie geil ist. Alles andere, glaube ich, ist egal.
Weil du auch öfters mal meintest, dass dich so die Zeit um 2000, die eher vom klassischen Rap geprägt war, sehr beeinflusst hat, und dass du dich auch davon selbst ein bisschen entfernt hast.
Gerard: Ja, hab ich durchaus ein bisschen, aber einfach, weil man sich weiterentwickelt. Man hört andere Musik und hat andere Eindrücke, geht in andere Clubs und so. Ich glaube, das ist ganz natürlich.
Wir versuchen ja zum Jahresende hin ein bisschen zu resümieren, was so im Laufe des Jahres an guter Musik erschienen ist. Was sind so deine Favoriten?
Gerard: Das neue Kanye-West-Album find ich voll geil. Ich hab das lang nicht verstanden am Anfang, aber Yeezus finde ich schon extrem weit vorne, also das ist auf jeden Fall revolutionär. Ich weiß, dass es nicht allen gefällt, aber ich find das richtig gut! Das habe ich gerade für mich entdeckt und hör ich gerade viel.
Was mir an deiner Art gefällt, zumindest so wie das in deiner Musik rüberkommt: dass man kein Rap-Klischee findet, das bei dir auftaucht.
Gerard: Ne, ich erfüll auch keins.
Ist das so, weil du einfach bist, wie du bist?
Gerard: Ja, also ich hatte eigentlich nie so den Rap-Freundeskreis. Ich hatte eigentlich immer einen ganz neutralen Freundeskreis, der alles Mögliche gehört hat, also Indie, Rock, Pop, Jazz, was auch immer.
Und du kannst wahrscheinlich auch noch gar nicht sagen, wie sich das bei dir weiter entwickeln wird, oder?
Gerard: Ne, keine Ahnung. Ich werde in Interviews immer wieder gefragt, wie das nächste Album klingen wird. Ich sag darauf immer, das hängt davon ab, wie meine nächsten zwei Jahre aussehen werden, was ich da erleb, ob ich meistens gut drauf bin oder traurig, ich hoffe natürlich Ersteres.
Ihr werdet jetzt wahrscheinlich erstmal noch viel mit "Blausicht" weitermachen, oder?
Gerard: Ja genau, im Februar gehen wir dann auch nochmal auf Tour, und dann Festivals im Sommer, und dann auf jeden Fall ein neues Album anfangen im Herbst.
Sieht man dich dann nochmal in kleinen Clubs?
Gerard: Ich hoffe nicht (lacht). Also ich hätte schon gerne, dass es immer größer wird, aber...
Weil so Leute wie Casper machen ja dann bewusst nochmal kleine Clubtouren.
Gerard: Ja, wenn ich mal so groß bin wie Casper mach ich schon mal so eine Clubtour, aber das will ich mir dann selbst aussuchen und nicht aufgrund der Umstände, die einen dazu zwingen, weiter kleine Clubs spielen zu müssen.
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Rezension zu "Neue Welt" (2015)
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