Interview

Frightened Rabbit


Scott Hutchinson (Foto, ganz links) sieht die Musik seiner Band Frightened Rabbit als eigene Welt, in die er und seine Fans sich gerne flüchten. Dort sind dann alle hauptsächlich melancholisch und emotional. Wie das mit dem Traurigsein funktioniert, welche Umgebung Hutchinson fürs Songwriting braucht und was das alles eigentlich mit Kannibalismus zu tun hat, erklärt er uns vor dem ausverkauften Gig in Berlin.

Ich habe in Rezensionen zu eurem neuen Album "Painting Of A Panic Attack" häufig gelesen, dass du, und somit auch die ganze Band, insgesamt fröhlicher bist. Dennoch wurde überall Entwarnung gegeben und versichert, dass ihr euch zum Glück immer noch melancholisch genug anhört.

Scott Hutchinson: Ja, das akzeptiere ich voll und ganz als Wertung!

Woher kommt denn deine aktuelle Fröhlichkeit?

Scott: Ganz einfach: Liebe! Das Album ist entstanden, als ich nach L.A. zu meiner Freundin gezogen bin. Wir haben dort beide sehr isoliert und sehr aufeinander bezogen gelebt. Das war einerseits sehr intensiv und schön und andererseits auch durchaus anstrengend und beengend.

Das klingt nicht durch und durch positiv. Meinst du, du brauchst immer irgendeine negative Komponente in deinem Leben, um Musik schreiben zu können?

Scott: Ich denke nicht. Ich glaube eher, dass es immer eine dunkle Seite bei jedem gibt, egal, wie gut es ihm oder ihr geht. Die Frage, die sich dann stellt, ist, wie stark man sich zu dieser Seite hingezogen fühlt. Ich glaube, absolutes Glücklichsein würde mich eher stark verwirren und Skepsis hervorrufen (lacht).

Bezieht sich diese Skepsis dann darauf, dass du der Schönheit des Moments nicht traust und erwartest, dass es direkt wieder bergab gehen muss?

Scott: Ja, möglicherweise. Ich meine, das ist ja im Prinzip eine Erkenntnis, die auf Erfahrungen beruht. Also ich denke, es gibt wenig Leute, die mir widersprechen würden, wenn ich sage: Dinge gehen zu Ende. Positive Phasen bleiben einfach nicht ewig. Lebenswege nehmen andere Richtungen als erhofft oder erwartet. So ist das nun mal.

Bist du also ein sehr vorsichtiger Charakter?

Scott: Würde man meinen, bei meiner Einstellung, oder? Nein – bin ich definitiv nicht. Ich bin eher die Person, die mitten ins Abenteuer springt und herausfinden will, ob etwas wundervoll ist, als die Person, die es nie herausfindet und dann aber auch nicht verletzt wird.

Sollte es doch mal dazu kommen, dass du komplett glücklich bist: Hast du Angst, dass du damit deine Superpower als Songwriter hergeben musst?

Scott: Nein. Aber ganz ehrlich: Wenn mir angeboten werden würde, mein Leben lang für immer absolut glücklich sein zu dürfen und dafür nie wieder einen Song schreiben zu können, ich würde das Angebot annehmen!

Was? Wirklich?

Scott: Ja, absolut. Es wäre ok. Wobei ich einfach nicht glaube, dass ich – selbst als glücklichster Mensch der Welt – jemals aufhören würde, Songs zu schreiben. Weißt du, ich brauche fürs Schreiben kein großes Drama. Ich finde die kleinen Dinge viel spannender und genau diese Dinge existieren immer und überall. Das Leben ist einfach nicht perfekt und das wird es auch niemals sein. Ich werde sehr von diesen Facetten des Lebens angezogen, mache mir viele Gedanken und Sorgen und muss diese dann eben in Songs verarbeiten. Das ist ein wichtiger Teil meiner Persönlichkeit.

Ist es dir schon mal passiert, dass du über eine Situation und Person einen Song geschrieben hast, die sich hinterher bei dir beschwert hat, beziehungsweise dich gefragt hat, warum du mit ihr oder ihm nicht einfach über das Problem gesprochen hast?

Scott: Definitiv, ja! Ich bin darauf überhaupt nicht stolz, weil es am Ende nur meine Unfähigkeit, mit Menschen vernünftig zu kommunizieren, beweist. Teilweise habe ich Menschen damit ganz schön vor den Kopf gestoßen und sie auch verärgert oder sehr traurig gemacht. Aber zum Glück bin ich immer noch mit allen Personen befreundet, über die ich geschrieben habe. Ich muss jedoch zugeben, dass Songwriting eine ganz schön egoistische Geschichte ist.

Inwiefern?

Scott: Ich glaube, Nick Cave hat es in seiner Doku "10000 Days On Earth" am besten zusammengefasst. Er sagt in dem Film, dass er wie ein Kannibale vom Leben mit seiner Frau und den Kindern lebt. Er verarbeitet also als Künstler das Privatleben seiner Familie. Er und seine Frau haben sich darauf geeinigt, dass genau das zu ihrem Leben gehört. So ähnlich sehe ich das auch. Man verarbeitet als Songwriter eben alles, was man erlebt und tut, wen man trifft und wer einem wichtig ist. Damit müssen die Menschen in der Umgebung erst mal klarkommen. Es ist nämlich bei weitem kein konventioneller Weg, mit den Dingen umzugehen.

Musst du dich dann fürchten, wenn die neue Platte herauskommt und plötzlich alle auf deiner Matte stehen, die du auf dem Album "verarbeitet" hast?

Scott: Könnte man meinen, oder? Nein, glücklicherweise bin ich durch meine Freundin viel kommunikativer geworden. Sie ist Amerikanerin und diskutiert alles mit mir, bevor es zum Problem wird. Somit wird zumindest sie nicht überrascht sein, denn jedes Problem, das auf "Painting Of A Panic Attack" angesprochen wird, ist ihr bekannt. Wie es bei allen anderen Personen ist, die auf dem Album vorkommen, weiß ich nicht so genau. Gut, dass ich jetzt erst mal auf Tour und nicht zu Hause bin (lacht).

Silvia Silko

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