Interview

Enno Bunger


Enno Bunger hat mit "Flüssiges Glück" seinen dritten Langspieler veröffentlicht und darauf ordentlich am Sound gedreht. Wir treffen ihn vor seinem Tourauftakt im Bremer Lagerhaus, um dieser Veränderung mal auf den Grund zu gehen.

"Flüssiges Glück" ist nun seit einem Monat draußen, welche Resonanzen haben dich persönlich erreicht?

Enno: Viele sind eher überrascht, was aber auch klar war. Ich wollte auch überraschen und was Neues für mich ausprobieren und hatte auch unglaublichen Spaß daran. Erlaubt war jetzt für mich nicht nur, was ich bereits gemacht habe, oder dass ich jetzt Singer/Songwriter sein muss, sondern was mir gefällt und ich habe das eher als Spielplatz gesehen und alles ausprobiert. Auch Freunde, die bisher nicht viel mit meiner Musik anfangen konnten, feiern diese Platte und Mutti findet es dann auch noch gut. Es sind ja auch noch genug ruhige Stücke darauf. Ich glaube, alte Hörer habe ich jetzt nicht vergrault mit den Ausflügen, sondern eher neue dazu gewonnen und die Alten haben weiterhin Bock drauf.

Du hast die ruhigen und melancholischen Songs der letzten Platte erwähnt, mit denen du ja eine Trennung verarbeitest und vertonst. Was war dieses Mal der Antrieb?

Enno: Wegweisend war hier vielleicht das erste Stück "Scheitern" auf der Platte, welches auch als erstes fertig war und mit dem ich viel experimentiert und ausgelotet habe, was mir gerade gefällt. Und dann war der Gedanke, mal das zu thematisieren, was mich eigentlich schon seit Jahren wundert und gleichzeitig auch bewegt. Gemeint ist, dass ich immer wieder vor die Wand fahre oder hinfalle und dass irgendwas schlecht läuft, ich aber danach wieder hervorkomme, alles wieder viel besser ist und dass es wichtig ist, bereit zu sein, auch für etwas zu scheitern. Der Antrieb war ebenfalls, dass ich mich nicht wiederholen wollte, obwohl ich trotzdem weiterhin Melancholiker bin und traurige Musik mag und auch mache. Das Konzept dieser Platte ist eher, dass ich gemerkt habe, dass es in jedem Lied im weitesten Sinne um eine Flüssigkeit geht. Sei es als Erwähnung und direkte Beschreibung, ob nun Blut, Schweiß oder Schnaps. Irgendwo tauchten sie immer wieder auf und so kam es dann auch zum Titel "Flüssiges Glück".

Wie ist es dabei zu diesem genreübergreifenden Sound gekommen?

Enno: Ich habe mir Gedanken gemacht, was ich privat höre und was mich beeinflusst, oder was man schonmal irgendwann gemacht hat. Ich war zum Beispiel schon Bar-Pianist oder habe in Classic-Rock-Coverbands mitgespielt, was ich auch jetzt gelegentlich noch mache, einfach weil es Spaß macht. Der Anspruch war an mich, die für mich vielseitigste und abwechslungsreichste deutschsprachige Platte zu machen, die ich mir vorstellen konnte und dabei mit meiner Musik durch verschiedene Genres zu fließen.

Das ist dir ja eindrucksvoll gelungen. Was ich mich frage, wie dann diese neuen Stücke entstanden sind und wo du die Grenze bei der Ansammlung der verschiedenen Genres gezogen hast?

Enno: Es ist meistens so bei mir, dass die Stücke allein bei mir zu Haus am Klavier entstehen. Es gibt sowieso immer eine Menge Skizzen und die schönsten bleiben dann hängen und mit denen arbeite ich dann weiter. Die letzten waren dann so unterschiedlich und vielseitig und ich habe gemerkt, dass ich genau das will und dass da soviel ist, sodass es mir schnell egal wurde, dass es so unterschiedlich ist.

Und du aus diesem Grund auch das enge Korsett der Trio-Besetzung gesprengt hast?

Enno: Genau, bei den ersten beiden Platten waren wir ein festes Trio in der Bandbesetzung, da war klar, es gibt ein Schlagzeug, einen Bass und ein Klavier. Außerdem haben wir damals auch versucht, bewusst auf Gitarren zu verzichten und haben andere Sachen benutzt. Nun bin ich selber ein großer Freund von zum Beispiel der Gitarre und hatte keine Lust mehr, einen Kompromiss einzugehen.

Du hast auch für die Aufnahmen erstmals auf die Band verzichtet. Wie hast du die Songs in diesen Sound gegossen?

Enno: Ich habe am Computer ganz viel vorgezeichnet und Spuren eingespielt, Beats programmiert und Sounds gebaut, komische Geräusche aufgenommen und dann die kompletten Stücke zu Hause vorproduziert und bin dann mit diesen Demos ins Studio zu Tobias Siebert, der auch vieles schon super fand und es dann als eine Art Baukastenalbum gesehen hat. Was meint, dass einige Spuren schon gut waren und andere nochmal neu gemacht werden mussten und wieder neu zusammengesetzt wurden. Wir haben dann unglaublich lange an Sounds gearbeitet und sehr detailliert dran herumgeschraubt. Noch länger habe ich allerdings an den Texten geschrieben, weil ich da tatsächlich immer anspruchsvoller werde und Zeilen für sich stehen können sollten, aber zusammengesetzt trotzdem ein sinnhaftes Ganzes ergeben.

Gerade ein Song wie "Hamburg". Wie kam es zu diesem Trance-Ausbruch nach 3.20 Minuten?

Enno: Ich hatte da zwei Refrains und dachte dann: "Schade, dass es schon vorbei ist." Irgendwie wollte ich ein musikalisches und textliches Bild zu Hamburg haben und habe an den Anfang die Weite und ein melancholisches Klavier gesetzt, um das Klischee "Möwen, Hafen, Horn" zu bedienen. Dann ist Hamburg aber auch sehr urban, deswegen brauchte ich eine U-Bahn, die heult und es muss im Refrain groß klingen, um dann wieder zurück zur ruhigen Strophe zu kommen. Musikalisch hatte ich dann erst mit dem Gitarreneinsatz die Indie-Sparte abgedeckt und Hip-Hop-Elemente waren drin, bis mir auffiel, dass ja auch Clubmusik und Techno in Hamburg viel vertreten sind und deswegen für mich irgendwie verarbeitet werden mussten. So kam es dann zu diesem Ausbruch.

Es ist natürlich noch etwas verfrüht danach zu fragen, aber hast du schon eine Vision, in welche Richtung die nächste Platte gehen könnte?

Enno: Nein, erstmal steht diese Tour an und weitere Termine für 2016 sind schon gebucht. Anschließend werde ich wohl mal kurz verschnaufen, um danach neue Ideen, Eindrücke und so weiter in neue Musik fließen zu lassen. Wie diese dann klingen wird? Ich bin selbst gespannt.

Sönke Holsten

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