Interview
Clickclickdecker
Ich finds erstaunlich, dass du so viele verschiedene Sachen machst. Du hast ja wirklich einiges am Laufen, z.B. Bratze, die Punkband Ludger, My First Trumpet und natürlich Clickclickdecker. Die Unterschiede sind zwischen diesen ganzen Sachen ja sehr gravierend: Bratze ist sehr elektrolastig, Clickclickdecker wiederum konzentriert sich auf Gitarre und Stimme. Es ist nun auch nichts Ungewöhnliches, wenn man viel verschiedene Musik als Input hat, ich finde es aber trotzdem ungewöhnlich, auf diese verschiedenen Arten und Weisen Musik zu machen. Wie kommt das bei dir?
Kevin: So wird mir nicht langweilig. Mit mir selbst. Und ich bin auch sehr froh darüber, so viele verschiedene Sachen machen zu können, die streckenweise dann auch wirklich funktionieren. Dass man beispielsweise auch mit Ludger auf Tour gehen kann. So hat sich das eben ergeben und ist auch gut so.
Hast du dann quasi für jede Stimmung das richtige Ventil?
Kevin: Ja genau. Richtig! Irgendwie so, und irgendwie ist es eben auch wie meine Plattensammlung. Wie man viel verschiedene Musik hört, so kann man auch viel verschiedene Musik machen, find ich.
Klar, aber ich hab oft den Eindruck, dass sich dann bei den meisten trotzdem immer alles gleich anhört. Wenn zum Beispiel Sergej Tankian ein Soloalbum veröffentlicht, klingt das alles immer noch verdächtig nach "System Of A Down".
Kevin: Gut, ich denke, wenn ich jetzt bei Ludger singen würde, würde sich das dann vielleicht auch anhören wie Clickclickdecker auf Punk.
Ok. Die Zeiten des Arbeitens für Clickclickdecker und für Bratze hältst du aber auseinander, meistens im Jahresrhythmus, weil du, wie du auch selber in einem Interview mal gesagt hast, "nicht an einem Abend abgehen und am nächsten die Welt umarmen" kannst. Ist das tatsächlich so? Benutzt du Clickclickdecker, um dieses kantige Etwas an Welt zu umarmen?
Kevin: Dieses Wort "Weltumarmer" hat mal jemand über mich gesagt: "An dem einen Abend lässt er mal die Sau raus mit Bratze und an dem anderen spielt er den Weltumarmer." Das fand ich zum einen ziemlich witzig und auf der anderen Seite stimmt das eben auch. Es geht irgendwie nicht, es funktioniert nicht, deshalb auch immer die zeitliche Trennung von Bratze und Clickclickdecker. Dieses Jahr ist es aber das erste Mal so an einem Wochenende, dass es tatsächlich stattfindet. Wir spielen am Freitag mit Bratze und am Samstag mit Click. Hab ich so noch nie gemacht. Das ist im Rahmen von zwei Festivals, das wird spannend. Mal schauen. Aber das wird schon gehen, ist ja nicht so, dass ich mit den beiden Bands die Personen austausche, ich bin ja nicht schizophren. Könnte mir aber vorstellen, dass es komisch wird für den Zuschauer.
Ja gut, und ein Auftritt ist ja immer noch was anderes, als an Musik für die jeweilige Band zu arbeiten.
Kevin: Eben, es geht ja bei dem Zitat mehr ums Auftreten. Das Arbeiten an den Sachen findet ja sowieso im Hintergrund statt, da guckt mir ja keiner zu, da kann ich sein wie ich will. Wenn ich eine Idee hab, überleg ich dann eben erstmal, wofür ich die brauchen kann, oder was ich damit dann mache.
Die Ideen und das Schreiben: Die eine Sache ist bei dir der Sound, die Gitarre, das Drumherum. Die andere der Text. Selbst Menschen, die mit Clickclickdecker wirklich nichts anfangen können, kommen nicht umhin, deine Texte zu loben. Was, außer Ruhe und Konzentration, brauchst du, um zu schreiben? Kommen dir die Ideen einfach so?
Kevin: Ja, das hab ich lange nicht mehr gehabt! Hätte ich gerne mal wieder! Aber irgendwie bin ich seit einiger Zeit einfach zu abgelenkt. Ich tue mich gerade im Moment sehr schwer damit und es dauert auch immer länger. Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass da so viele Projekte sind, vielleicht bin ich auch einfach zu viel im Internet, kein Plan. Gerade jetzt bin ich so ein bisschen auf der Suche nach dem richtigen Weg, wie ich am besten wieder richtig arbeiten kann. Ich bin da auch gerade ein bisschen unzufrieden mit mir selber. Im letzten Jahr hat das Texten eben ziemlich nachgelassen, muss noch herausfinden, wie ich das am besten wieder hinkriege.
Also hattest du jetzt vorher auch nie wirklich ein Ritual, dass dich zum Schreiben bewegt hat?
Kevin: Nein, nicht so wirklich, es gab und gibt meistens irgendeinen Impuls von dem, was ich so erlebe, aufschnappe, wie auch immer. Und wenn der erste Satz steht, dann kanns losgehen. Aber dafür muss eben der erste Satz stehen. Der Impuls muss halt kommen, und darauf warte ich eben noch.
Hast du solche Phasen öfter? Oder kann es nicht mal vorkommen, dass man solche Blockaden mal hat?
Kevin: Ja natürlich, ist ja nicht so, dass ich mir den Wecker danach stellen könnte.
Ja, klar. In deinen Texten hast du immer so eine Art lyrisches Ich, aber eben auch einen Adressaten.
Kevin: Das find ich sehr schön gesagt, sehr interessant.
Ja, was ich mich bei deinen Texten aber deshalb immer wieder frage, ist: Hast du Sätze deiner Texte schon mal tatsächlich jemandem gesagt oder sagen wollen?
Kevin: Ich glaub, es ist eine Mischung aus beidem. Dinge, die ich Menschen gesagt habe, Dinge die ich Menschen gerne gesagt hätte und eben dazu noch Dinge, die vielleicht jeder Mensch mal irgendwem anders sagen würde.
Wieviele Anteile deiner Songs sind tatsächlich Liebeslieder? Ich hab öfter mal das Gefühl, dass es da um Liebe geht.
Kevin: Gar nicht so viele. Also, wenn ich länger mit einer Person zusammen bin und diese liebe, sind es gar nicht so viele. Aber dafür sind sie dann umso direkter.
Schreibst du dann eher um das Thema herum, wenn du leidest?
Kevin: Ja genau!
Vielleicht brauchst du das dann ja mal wieder?
Kevin: Ja, könnte wahrscheinlich auch sein. Traurige Musik zu machen ist viel einfacher als fröhliche. Wenn man Trauer hat, oder leidet – leidet, dieses Wort! – kann man viel besser schreiben. Ist glaub ich so ein Fluch.
Das hört man öfter, dass Künstler, also auch Dichter, besser arbeiten können, wenn sie leiden.
Kevin: Das ist doch total komisch, oder? Dass sie besser dran sind, wenn es ihnen schlecht geht!
Es ist aber doch wirklich so, dass Musiker, wenn sie tatsächlich glücklich sind, nichts mehr zustande bringen. Das Album von Joan Osborne, wo dieser Smashhit "One Of Us" drauf ist, ist super, und danach wird sie glücklich, die Alben danach gehen gar nicht!
Kevin: "One Of Us"? Mensch, das haben wir gestern noch im Tourbus gemeinsam gesungen!
Witziger Zufall! Mit welcher Musik kannst du eigentlich gar nichts anfangen?
Kevin: Mhh, weiß ich gar nicht. Womit kann ich denn nichts anfangen? Oliver? Weißt du, womit ich nichts anfangen kann?
Ich hab gelesen, dass ihr auf Tour immer mal wieder WDR4 anhört, damit ihr euch nicht streitet. Also geht selbst das?
Kevin: Naja, das war auch mehr so zur Erheiterung. Ich finde es persönlich aber auch sehr interessant, mir mal Schlagermusik anzuhören. Das ist in Deutschland ja auch sehr wichtige Musik, wenn man sich mal den Absatz ansieht, den diese Musik so hat. Was konsumieren die Leute denn da so? Ist das immer dasselbe, oder hat das auch Sinn und Verstand? Hab ich aber bisher noch nicht gefunden. Ist Herbert Grönemeyer schon Schlager?
Ich glaub, die Zielgruppen überschneiden sich da schon!
Kevin: Ja genau, das kann sein. Wobei Grönemeyer ja immer noch um Längen besser ist als tatsächlicher Schlager. Aber, mhhh, Musik, mit der ich gar nichts anfangen kann. Oh: Reggae! Reggae find ich total schrecklich. Und Rockabilly, naja, wobei: Nein! Ich mag jede Musik!
Aha, sehr diplomatisch geantwortet! Jetzt mal zu dem Album, das ihr beide zusammen gemacht habt, es ist ja nun ein Mitschnitt eines besonderen Konzerts. Ihr habt zusammen alte Songs neu interpretiert und reduziert. Wie fühlt sich das für euch beide an? Alte Songs neu zu verarbeiten? Vor allem, Oliver, du arbeitest ja im Prinzip nicht die eigenen Songs aus, sondern die eines anderen.
Oliver: Wir arbeiten ja immer beide an den Sachen. Es ist so eine gemeinsame Sache, alles sehr gleichberechtigt, Vorbereitung und Umsetzung. Für mich persönlich ist es jetzt sehr interessant, diese Lieder in diesem Gewand zu spielen. Es ist eben sehr anders, eine andere positive Herausforderung und macht wirklich sehr viel Spaß.
Wobei ihr ja wirklich dieselben Songs spielt.
Kevin: Ja, also bei dem Konzert lag der Fokus sehr auf der letzten Platte und an der hatte Oliver ja auch schon massiv mitgewirkt. Insofern war es klar, dass das Gewicht bei diesem Konzert tatsächlich auch auf diesem letzten Album liegt. Das Wichtige daran war uns, die Lieder so zu reduzieren und auf den Punkt zu bringen, dass wir sie zu zweit spielen können, ohne viel Klimbim, dass sie eben direkt sind. Und dass der Text wieder mehr in den Vordergrund tritt. Das gefällt mir persönlich sehr gut und war mir wichtig.
Ihr seid jetzt erst mal noch ein bisschen auf Tour. Was kommt danach? Wieder ein reguläres Clickclickdecker-Album?
Kevin: Weiß ich nicht! Kann ich wirklich nicht sagen. Wir gehen im September nochmal auf Tour. Ich hab mir aber dieses Jahr vorgenommen, nicht so viel zu machen. Irgendwie mal in mich zu gehen, kürzer zu treten, ein paar Dinge herauszufinden.
Du hast zu deinem letzten regulären Album gesagt, dass du dir die Band dazu geholt hast, weil die Platte so, wie du immer aufnimmst, zu wenig Weiterentwicklung für dich war. Ist dieses Kürzertreten auch wieder ein Schritt Weiterentwicklung?
Kevin: Ja, auf jeden Fall! Aber im Sinne davon, dass ich das Glück habe, mir das erlauben zu können. Ich muss jetzt nicht unbedingt was nachlegen. Also, von außen gabs diesen Druck sowieso nie, den hab ich mir immer selber gemacht. Aber im Moment schaue ich einfach mal, ich suche im Prinzip gerade noch nach dem, was dann als nächstes kommt.
Ok, super! Dann wünsch ich dir dabei viel Erfolg und bedanke mich für das Gespräch.
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