Interview

Blood Red Shoes


Große Freude bei den Blood Red Shoes. Endlich spielten sie mal nicht auf der Schäl Sick in Köln, wie die rechte Rheinseite in der Bevölkerung abfällig genannt wird. So blieb zwischen den Interviews vor dem Konzert im Gloria Theater auch ein wenig Zeit, sich die Stadt in aller Ruhe anzusehen. Laura-Mary Carter verspätete sich leicht zum Interview, sie war noch mit ihrer Kamera unterwegs. Dafür plauderte Steven Ansell schon fröhlich über Brighton, das neue Album und eine neue Leibspeise.

Ich sollte dich vorwarnen. Ich hab seit Ewigkeiten kein Englisch mehr gesprochen, vermutlich bin ich völlig eingerostet.

Steven: Ach, das wird schon klappen. Ich kann leider nur drei deutsche Wörter.

Lass mich raten, eines davon ist Scheiße.

Steven: Genau. Scheiße. Und Schwarzwälder Kirschtorte. Und Currywurst. Ich liebe Currywurst.

Hätte ich das gewusst, hätten wir das Interview um die Ecke machen sollen, hier gibt es ein tolles Currywurst-Restaurant in der Nähe.

Steven: Das hätten wir tun sollen. Ich muss unbedingt noch irgendwo Currysauce kaufen, bevor wir abreisen.

Ich seh's schon kommen, bald gibt es in Brighton kein Fish'n'Chips mehr, dafür an jeder Ecke Currywurst. Nette Sache eigentlich. Als ich vor ein paar Jahren mal mit der Schule in Brighton war, haben wir uns ja gefragt, was die Jugendlichen eigentlich den ganzen Tag machen, zwischen den alten Piers mit den Spielhöllen drin. Ihr habt dann die Antwort gegeben.

Steven: Ja, es gibt viele Bands in Brighton. Es gibt eine richtig gute HipHop-Szene, aber auch andere Genres. Es gibt verdammt viel Musik, aber auch Kids, die einfach in den Straßen rumhängen und sich betrinken. Eigentlich ist es aber eine nette, kleine Stadt.

Da gab es aber keinen Kulturschock für Laura, als sie von London nach Brighton gezogen ist? Oder für dich, neben diesem Großstadtmädchen?

Steven: Nene, nicht wirklich. Sie ist aber auch eher in den Vorstädten von London groß geworden. Wir sind beide eigentlich in recht ähnlichen, langweiligen Vorstadtsiedlungen aufgewachsen.

Eure Musik klingt auf dem neuen Album ja schon erwachsener. Nicht mehr so zornig, eher resigniert, oder täusche ich mich da?

Steven: Das stimmt schon. Bei "Box of Secrets" war mehr Frustration im Spiel, jetzt geht es mehr um Zweifel und darum, sich selbst zu hinterfragen. Das Leben ist komplizierter geworden, wir ein bisschen schlauer, wir denken mehr über uns nach als vorher. Wir wissen auch mittlerweile besser, wie wir das ausdrücken können, was wir wirklich denken und was wir fühlen. Und natürlich hat die Musik einen großen Einfluss auf unsere Texte, da wir erst die Melodien haben und dann die Texte schreiben.

Wie groß ist denn da eigentlich die Chance, dass ihr mal 'nen richtig fröhlichen, positiven Song schreibt?

(Steven lacht)

Laura-Mary: Oh, man sollte niemals nie sagen. Ich könnte mir das schon vorstellen, in der richtigen Stimmung mit den richtigen Gefühlen.

Steven: Ich glaube, so einen Happy-Song werden wir wohl eher nicht machen. Vielleicht Musik, die gute Laune macht. Ein bisschen Unsinn machen und das dann als B-Side veröffentlichen. Aber so etwas richtig Positives, "die Sonne scheint und alle haben Spaß", das werden wir nicht machen.

Laura-Mary: Naja, vielleicht doch. Vielleicht machen wir mal 'nen richtig positiven Song.

Steven: Okay, vielleicht. Wenn wir mal richtig gut gelaunt sind.

Laura-Mary: Es müsste ja auch nur ein Song sein. Kein ganzes Album.

Steven: Okay.

Jetzt werdet ihr ja gerne in den Topf dieser neuen, hippen britischen Bands geschmissen...

Steven: Das sind wir aber nicht!

Da geb ich dir Recht. Aber im Radio oder in der Indie-Disco hört man euch oft mal gemeinsam mit Bands wie den Ting Tings.

Laura-Mary: Oooh!

Steven zu Laura-Mary: Übrigens, als wir vorhin hierher kamen, haben die hier die Ting Tings gespielt.

Laura-Mary zu Steven: Das ist doch ein verfluchter Witz, oder?

Steven zu Laura-Mary: Nee, aber ich hab denen erstmal meine Queens-of-the-Stone-Age-CD in die Hand gedrückt, die läuft jetzt.

Laura-Mary zu Steven: Yeah!

Steven: Also diese DJs, die müssen eigentlich von 'nem anderen Planeten kommen, wenn die denken, es gäbe irgendeine Verbindung zwischen uns und den Ting Tings oder ähnlichen Bands.

Laura-Mary: Als die Ting Tings anfingen, hieß es ja immer, sie klängen wie wir. Und wir sagten immer: Nö! Jetzt sind sie erfolgreicher und die Leute behaupten, wir klingen wie sie. Schon komisch. Aber eigentlich ähneln wir gar keiner UK-Indie-Band, wir sind ja nicht mal eine Indie-Band. Wir klingen ja mehr wie, hm, 90s Grunge.

Steven: Ja, wir haben unsere Einflüsse mehr in Amerika.

Laura-Mary: Viele UK-Indie Bands nennen ja als Einflüsse Gruppen wie The Smiths und das ist nicht wirklich unser Ding.

Steven: Übrigens, falls das so rüberkommt, wir haben kein Problem mit den Bands. Mich stört es eher, wenn wir mit ihnen verglichen werden, da wir einfach etwas ganz Anderes machen.

Im Gegensatz zu vielen Bands engagiert ihr euch dazu auch recht offensiv gegen Rechtsextremismus. Was hat euch speziell dazu bewogen, ihr seid ja eigentlich keine politische Band?

Steven: Das stimmt. Aber wir sind menschliche Wesen – mit einem Gehirn. Rechtsextremismus ist wirklich ein ernsthaftes Problem, gerade in England.

Laura-Mary: Da ist es echt schlimm geworden.

Steven: Die BNP (British National Party), eine rechtsextreme Partei, wurde letztes Jahr ins Europäische Parlament gewählt. Diese Leute bekommen immer mehr Macht und davor muss gewarnt werden. Und wir haben zumindest auf Benefizfestivals die Chance zu warnen. Viele Leute müssen auf diese Problematik trotz allem erst aufmerksam gemacht werden.

Aber spezielle Songs, politische Songs, werdet ihr nicht machen?

Laura-Mary: Nein, das war nicht der Plan, als wir die Band gegründet haben.

Steven: Wir schreiben auch eigentlich nur über eigene Erlebnisse und haben kein Manifest, was wir alles singen wollen oder wofür oder wogegen wir unsere Stimme erheben.

Laura-Mary: Obwohl ich Bands mag, die so eine Art Manifest haben. Aber wir wollten so etwas nicht für unsere Band.

Steven: Ich glaube, das würde auch nicht passen, so ein rein politischer Song zwischen all den anderen. Trotzdem zeigen wir ja auch in unseren Texten, dass wir, egal aus welchen Milieus wir kommen, alle gleich sind, wir sind alle Menschen und so müssen wir uns auch gegenseitig behandeln. Mit Respekt.

Um mal ein bisschen weg zu gehen von der Musik, seid ihr abseits des Tourlebens in einer anderen Form kreativ? Malt ihr, fotografiert ihr, schreibt ihr Kinderbücher?

Steven: Woah, Kinderbücher schreiben... (lacht) Laura ist ein bisschen destruktiv, wenn sie keine Musik macht.

Laura-Mary: Ich bin gerne ein bisschen kreativ. Ich fotografiere gerne und ich übe mich ab und zu ein bisschen als MakeUp-Artist (schmunzelt verschämt). Und Steven kocht gerne.

Auch mal während der Tour, für die Crew?

Steven: Nein, nein, oh mein Gott. Aber wenn ich zuhause bin, dann liebe ich es, am Herd zu stehen und für Laura oder Freunde zu kochen.

Laura-Mary: Er ist ein richtig guter Koch.

Steven: Nein, so gut bin ich echt nicht.

Was kannst du denn am besten kochen?

Steven: Puh, was kann ich am besten? So ein richtig traditionelles, englisches Roast Dinner.

Laura-Mary: Und du machst super Saucen. Die sind echt lecker.

Steven: Deswegen stehe ich auch so sehr auf die deutschen Currysaucen. Die würde ich gerne machen können.

Laura-Mary: Ich habe eben um die Ecke 'ne Currywurst-Bude gesehen.

Ich merk schon, beim nächsten Mal müssen wir uns echt zum Currywurst-Interview treffen. Und ich bring am besten gleich schon mal ein paar Gläser der Sauce mit.

Steven und Laura-Mary: Yeah!

Photo by Martin Korbach

Martin Korbach

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