Interview

The (International) Noise Conspiracy


Lang ist es her, dass wir Ludvig von The (International) Noise Conspiracy als Gesprächspartner für ein Interview im Rahmen ihres famosen Gigs in Freiburg zu Gast hatten. Doch widrige Umstände machten eine Veröffentlichung bisher unmöglich (Danke an die Faulheit von Ben und Flo!). Was lange währt, wird bekanntlich aber umso besser und nun ist es ja endlich da....)

Euer aktuelles Album bringt eure politischen und wirtschaftlichen Ansichten mehr auf den Punkt. Was für Gründe hat dies?

Ludvig: Wir wollten eine Platte machen, die mehr von Herzen kommt. Die Alten waren irgendwie eher auf einem zu ideologischen Level, als auf einem Emotionalen. Das wurde für uns langsam langweilig und ich denke auch dass es manche Leute von uns abgewendet hat.

Eure Message war für viele Leute wahrscheinlich einfach schwer zu verstehen, denke ich.

Ludvig: Ja, es wurde langweilig und war zum Teil auch etwas abgehoben. Diesmal versucht die Platte, die Menschen emotional zu berühren.

War der Unterschied zwischen der Studioarbeit an eurem neuen Album im Vergleich zu euren alten Alben sehr groß? Ihr habt ja mit Rick Rubin einen sehr namhaften Produzent engagiert.

Ludvig: Es war total anders. Bei unseren alten Aufnahmen fühlten wir uns nie besonders wohl im Studio. Wir wollten ständig zurück auf Tour. Dieses Mal war es eben anders, denn wir arbeiteten ja mit Rick Rubin, d.h. man arbeitet automatisch viel mehr an den einzelnen Songs. So sind alle Songs viel ausgereifter, unnötige Stellen sind rausgeflogen, und die Musik wurde besser auf den Gesang abgestimmt. Das ist auch das Erste, was man wahrscheinlich raushört, wenn man die Platte zum ersten Mal anhört: Der Gesang klingt einfach viel besser. Auch die Tatsache, dass wir in Hollywood anstatt in Schweden aufgenommen haben hat die Entstehung beeinflusst.

Wie würdet ihr im Nachhinein eure Arbeit mit Rick Rubin bewerten?

Ludvig: Als wir ja davon Wind bekamen, dass er tatsächlich unser neues Album aufnehmen will, waren wir erstmal sprachlos. Wir sind ja praktisch alle mit seinen Produktionen aufgewachsen, von LL Cool J bis Slayer, eben dieses ganze Zeug aus den 90ern. Als wir dann schließlich begannen mit ihm aufzunehmen, hat jeder von uns eine Menge von ihm gelernt, weil er Musik auf eine andere Art und Weise anhört. Er ist einfach eine sehr inspirierende Person und ist wirklich gut darin, dir die Arbeit an der Platte so entspannt wie möglich vorkommen zu lassen. Es war eine sehr lehrreiche Erfahrung mit ihn zu arbeiten.

Wir erklärt ihr euch den Erfolg so vieler skandinavischer Bands?

Ludvig: Ich weiß gar nicht... Es sind einfach sehr musikalische Länder und das war schon immer so. Erst in den letzten Jahren wurde ihnen die internationale Aufmerksamkeit zuteil. Uns fällt das irgendwie gar nicht so wirklich auf, denn die ganzen Bands waren schon immer in unserem Umfeld. Dieser ganze Hype um skandinavische Bands ist Produkt der vielen Musikmagazine. Aber es stimmt schon, dass es verhältnismäßig viele Bands gibt. Das liegt vielleicht daran, dass zum Beispiel Schweden den Großteil des Jahres ein sehr düsterer und depressiver Ort ist und da kann man dann einfach nichts anderes machen außer Eishockey spielen und Musik machen.

Ihr habt sicher von dem Massaker auf dem Damageplan Konzert gehört, wodurch u.a. Dimebag Darrell ums Leben kam. Was glaubt ihr, hat das für Auswirkungen auf Fans. Muss man in Zukunft Angst haben auf Konzerte zu gehen?

Ludvig: Ich weiß nicht... Erstmal war das ja in Amerika, was schonmal ein verkommener Ort ist. Hier braucht man keine Angst haben, weil die Leute ja nicht alle mit Waffen durch die Gegend laufen. Dann war der Typ ja total geisteskrank. Das hat mich an den Mord an John Lennon erinnert, weil dessen Mörder ähnlich fanatisch war, wie dieser jetzt. Das einzige Mal, dass ich von sowas in der Art gehört habe, war ein Vorfall in den 60ern. Ein sehr guter Jazz Trompeter namens Lee Morgan hatte eine Freundin, die herausfand, dass er sie betrügt. Also ging sie eines Abends in ein Konzert und erschoß ihn auf der Bühne. Nein, ehrlich gesagt hätte ich bei einem Damageplan Konzert eher Schiss vor den Fans. Die haben wirklich das schlimmste Publikum der Welt! Ich war auf einem Slayer Konzert in Amerika und da waren 5.000 Skinheads. Ich dachte mir, noch übler gehts nicht und da sagte man mir, dass das nichts im Vergleich zu einem Pantera Gig wäre. Auf makabre Art und Weise macht das sogar Sinn, dass wegen Pantera Blut vergossen wurde. Das ist schon schrecklich.

Was haltet ihr von der Bewegung mehrerer Rockbands und Künstler, die sich im Zuge des Wahlkampfes gegen Bush gebildet hat?

Ludvig: Die Sache an sich ist gut, aber die Forderungen und Meinungen gingen irgendwie nicht weit genug. Es hieß nur immer: "Jeder außer Bush!" Und das musste offensichtlich schief gehen, denn Kerry ist auch nur ein Stück Scheiße. Das ist dasselbe wie als Oasis vor 10 Jahren mit Tony Blair abhingen und den im Wahlkampf unterstützt haben. Nun schaut euch an, was heute aus Tony Blair geworden ist! Ein Schoßhund der Großmacht Amerika. Aber es ist trotzdem schön mitanzusehen, wie sich viele Leute für eine positive Sache stark machen, nur muss eben die Alternative besser sein.

Es ist aber schon erschreckend, dass selbst solch starke Gruppierungen , trotz günstiger Voraussetzungen scheitern.

Ludvig: Ja, schon. Aber erstmal haben nur 50% der Amerikaner überhaupt gewählt und von denen dann auch nur die Hälfte für Bush. Also haben gerade mal 25% der Amerikaner für Bush gewählt. Ich denke das viel größere Problem, als die Wiederwahl von Bush ist die Tatsache, das überhaupt nur 50% der Leute gewählt haben. Es ist aber nichts desto trotz erschreckend, dass die Gegenbewegung gescheitert ist. "Fahrenheit 09/11" ist zum Beispiel ein guter Film, hat im Endeffekt aber nichts gebracht. In Europa wäre dieser Streifen voll eingeschlagen und hätte sehr viele Menschen überzeugt. In Amerika klappt das aber einfach nicht, weil große Teile dort schlichtweg nicht aufgeklärt sind und sich solche Filme erst gar nicht ansehen.

Was glaubt ihr kann man denn in Zukunft überhaupt noch unternehmen, um solche offensichtlichen Fehlentscheidungen zu verhindern?

Ludvig: Ich weiß nicht, vor ein paar Jahren sah die Welt noch viel besser aus. Die Nationen begannen irgendwie zusammenzuwachsen. Aber "09/11" hat dafür gesorgt, dass wir uns jetzt wieder im Mittelalter befinden. Ich kann wirklich nicht einschätzen, wie das alles weitergehen soll. Alle fangen an verrückt zu werden. Die bauen eine Mauer rund um Palästina, Bush ist zurück und der ukrainische Präsident wird einfach so vergiftet. Die Weltpolitik ist auf einem absoluten Tief angelangt. Jetzt fangen sie schon an sich gegeseitig zu vergiften.

Habt ihr in den USA getourt?

Ludvig: Ja, zuviel meiner Meinung nach. Da wir das Album dort aufgenommen haben, mussten wir dort einige Gigs spielen.

Und wie waren die Reaktionen der Zuschauer?

Ludvig: Die gingen viel lockerer mit der Sache um, als wir eigentlich dachten. Vor den ersten Konzerten hatten wir ernsthaft Befürchtungen, dass die uns lynchen würden. Aber zum Glück waren die Leute dann eher dankbar, dass mal jemand auch über Kommunismus und solche Sachen spricht. Besonders bei den Einzelgigs war das zu merken. Wenn wir eine größere Band supportet haben, kam es schonmal vor, dass die Leute keine Interesse gezeigt haben, aber was solls? Es gibt sogar eine größere linke Bewegung dort, ähnlich stark wie hier in Europa.

Ok, wir haben eine neue Aktion, die heißt "Bands fragen Bands". Bernd von den Beatsteaks möchte von euch wissen, was den Kommunismus daran hindert nur eine Illusion zu sein.

Ludvig: Natürlich muss man eine gewisse Naivität miteinbringen um an den Kommunismus zu glauben. Trotzdem denke ich nicht, dass es sich um eine Illusion handelt solange man an die Sache glaubt. Nur mit einem Glauben etwas zu erreichen kann man was bewegen. Es ist ja auch nicht so, das wir Die- Hard Kommunisten wären. Wir verbinden vielmehr Elemente von Kommunismus und Sozialismus zu einer Politik, die sich von den allgemeinen Klassengesellschaften abgrenzt.

Was sind so momentan eure aktuellen Lieblingsplatten?

Ludvig: Nun, wir kaufen eigentlich andauernd "neue" Platten. "Neu" nicht im Sinne von aktuell, sondern neu für uns. Also hauptsächlich kaufen wir also alte Alben (lacht). Von den neueren Bands gefallen mir TV On The Radio, Bloc Party und The Soundtrack Of Our Lives sehr gut.

Wie sehen eure Pläne für 2005 aus?

Ludvig: Wir gehen zuerst nach China. Die spinnen total!(lacht) Wir waren dort das letzte Mal vor fünf Jahren und die Chinesen waren total verrückt. Mal sehen, was diesmal passiert. Dann geben wir uns eine kleine Auszeit, bevor es nach Australien und noch mal in die Staaten geht. Auf vielen Festivals werden wir denk ich auch wieder dabei sein, also ich hoffe das man sich dann dort sieht.

Benjamin Köhler

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Rezension zu "Cross Of My Calling" (2008)
Rezension zu "Armed Love" (2004)

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