Rezension
World's End Girlfriend
7 Idiots
Highlights: Les Enfants Du Paradis // GALAXY KID 666 // Bohemian Purgatory Pt. 2 // Unfinished Finale Shed
Genre: Avantgarde
Sounds Like: Battles (mit Abstrichen)
VÖ: 22.04.2011
Japan war uns ja in mancherlei Hinsicht schon immer weit voraus, was Weiterentwicklung etablierter Ideen angeht: Während hierzulande (noch) der Zivi für die Omma einkaufen gehen muss, werden im Land der aufgehenden Sonne dafür seit Jahren Roboter losgeschickt, Touristen werden statt in teure Hotelzimmer einfach in gemütliche Quasi-Särge gestopft, und ohne japanische Videospielentwickler hätten wir vielleicht noch sehr viel länger auf unhandlichen Riesenrechnern viereckige Bälle von einem Balken zum anderen schießen dürfen. Insofern kann es nicht verwundern, wenn neben fantastischen Vertretern des Postrock, also quasi der Blaupause „weitergedachter“ Musik, wie Mono und Envy auch ein Projekt wie World's End Girlfriend aus Japan kommt, das sich mit hergebrachten Genrebezeichnungen nun gar nicht wirklich charakterisieren lässt.
Denn Postrock ist World's End Girlfriend – hinter denen sich mit Katsuhiko Maeda ein einziger, augenscheinlich geisteskranker Komponist verbirgt – genauso sehr und genauso wenig, wie es moderne Klassik, Jazzrock oder was auch immer ist, das sich Einordnungsfetischisten verzweifelt aus den Fingern saugen. Stattdessen trifft es tatsächlich die eigene Presse-Info besser, die von ständiger Konstruktion und Dekonstruktion redet: Ständig werden wunderschöne Melodien, wahnsinnige Gitarrenriffs, schrille Elektrofrickeleien und vieles mehr entworfen, aufgebaut und weiter entwickelt, nur um sie immer wieder ohne Vorwarnung aufzulösen, übereinander zu stapeln und so zu verweben, bis man sich hin und wieder fragt, wieso diese Elemente überhaupt je gesondert existiert haben. Wenn etwa bei „TEEN AGE ZIGGY“ Slap-Bass, singende Säge, Jazztrompeten und Hiphopbeats juxtaponiert, überfordert das beim ersten Hören vielleicht noch – nach und nach atmet „Seven Idiots“ aber immer öfter eine ziemliche Genialität aus.
Dass es Maeda bei so vielen Ideen noch gelingt, auch innerhalb des Albums einen gewissen Aufbau erkennen zu lassen, ist daher umso erstaunlicher: So wird nach der gigantischen „Bohemian Purgatory“-Trilogie in „Der Spiegel im Spiegel im Spiegel“ zunächst nur scheinbar wahllos Ton an Ton an Ton gereiht, bevor „The Offering Inferno“ mit Schreien, einzelnen Klaviernoten und beinahe in den Ohren schmerzenden elektronischen Kracheskapaden einen schieren Albtraum aus Lärm aufbaut, nur um das Album dann mit dem beruhigenden „Unfinished Finale Shed“ enden zu lassen, dessen acht Minuten Wohlklang ausnahmsweise an keiner Stelle unterbrochen werden. Diesen letzten Punkt von "Seven Idiots" erreicht zu haben, ist nicht immer leicht – aber wer es bis hierhin geschafft hat, wird zweifelsohne an mancher Stelle die eine oder andere bisherige Idee von Musik über den Haufen geworfen haben. Und wie oft passiert so etwas schon?
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