Rezension
Wild Beasts
Present Tense
Highlights: Wanderlust // Mecca // Daughters
Genre: Indie // Pop // Art-Rock
Sounds Like: Antony & The Johnsons // Twin Shadow // Efterklang
VÖ: 21.02.2014
„Present Tense“ – schlicht im Hier und Jetzt soll das neue Album der Engländer Wild Beasts spielen. So opulent und geprägt von Bilderflut das Artwork und erste Musikvideo auch sein mögen, Minimalismus regiert die neue Veröffentlichung.
Groß war die Vorfreude im Vorfeld, denn spätestens nach dem kommerziellen Durchbruch mit ihrem Zweitwerk „Two Dancers“ und der musikalischen Weiterentwicklung auf „Smother“, für die man 2010 für den Mercury Prize, den britischen Ritterschlag für das beste Album des Jahres, nominiert wurde, waren die Wild Beasts zu einem respektablen Big Player der Szene aufgestiegen, ohne sich künstlerisch Blöße zu geben.
Da stellt der Opener „Wanderlust“ zunächst noch am ehesten den Kontakt zur Vergangenheit her. Geradlinige Rhythmik und ein Synthie-Bass treiben den charakteristischen und wie eh und je schönen Falsettgesang Hayden Thorpes durch den sphärischen Fünfminüter. Songstruktur und Melodieführung holen die Zuhörerschaft da ab, wo man 2010 mit dem Vorgänger „Smother“ aufhörte. Am Ende steht Mantra-artig wiederholt die Zeile „Don’t confuse me with someone who gives a fuck“ – das schon einmal klargestellt – ein Album einleitend, was auf den ersten Blick vor Trockenheit im Halse stecken bleiben möchte.
Die Orientierung an der Gegenwart zeigt in dem großflächigen Verzicht auf die bisher so geschätzten Gitarrenpickings seinen markantesten Zug. An ihrer Stelle befinden sich weitestgehend Synth-Melodien oder auch mal gar nichts, was zunächst das Gefühl einer Lücke hinterlässt. Man darf diesen Schritt kritisieren, zumal das klangliche Ergebnis nicht neu oder überraschend klingt und sich die Wild Beasts hier einem allgemeinen Trend beugen.
Geblieben ist der Band das wundervolle Wechselspiel seiner zwei Sänger. Hayden Thorpe, der erneut in schwindelerregenden Höhen seine gesanglichen Pirouetten vollführt, wobei stets eine gewisse Erotik mitschwingt, wird weiterhin konterkariert von dem voluminösen, einnehmenden Bariton Tom Flemings. Beide zeigen sich unabhängig voneinander in Bestform. So verleiht Fleming „Daughters“ die richtige Grundstimmung, auf der sich das hereinbrechende Synthie-Gewitter gegen Ende überhaupt erst entfalten kann und schafft in „New Life“ gar den Sprung, rein durch seinen sauberen melodiösen Gesang unter die Haut zu gehen und damit alleine den gesamten Song zu tragen. Frontmann Thorpe leistet nach wie vor die Hauptarbeit und bleibt Charaktermerkmal der Band. Er verleiht „Wanderlust“ seine Perfektion, fügt dem Disco-lastigen „A Simple Beautiful Truth“ eine melancholische Note hinzu und wagt in „Mecca“ die Öffnung in reinen Pop, ohne gleichzeitig anbiedernd zu wirken. Als Beweis, die Arbeit nicht komplett eingestellt zu haben, verfeinern Gitarren hier und da in sparsam dosierten Mengen. „Mecca“ gewinnt dadurch an Tiefe, wenn diese plötzlich wie Tropfen von der Decke fallen, und ein „Past Perfect“ klingt, wie der Name schon verrät, vertraut nach vergangenen Zeiten.
Einmal im Minimalismus angekommen, beginnt man langsam die Schönheit des Songwritings zu erkennen und muss stillschweigend den Hut ziehen vor dem, was die Band aus dem kleinen Kendal im Nordwesten Englands hier abliefert. Die Neuorientierung im Klangbild ist letztendlich nichts weiter als eine Verrückung des Fokus auf die eigenen songschreiberischen Qualitäten und den Gesang. Hierin besteht das Kunststück, welches „Present Tense“ zu einer sehr guten Platte macht.
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