Rezension

Venetian Snares

My Love Is A Bulldozer


Highlights: My Love Is A Bulldozer // She Runs // Too Far Across
Genre: Breakcore // Glitch
Sounds Like: Autechre // Aphex Twin // Squarepusher

VÖ: 13.06.2014

Vier Jahre arbeitete Aaron Funk alias Venetian Snares an „My Love Is A Bulldozer“, bis er 2014 sein Okay für den Release gab. Der Kanadier, der sich nach eigener Aussage seit jeher schwer mit dem Veröffentlichen von Material tut und sich oftmals erst lange bitten lassen muss, bekundete in einem Interview, dass er eine mehrere Jahre andauernde Schaffenskrise zu überwinden hatte. Erst am Ende wurde ihm klar, dass die Musik und er zusammengehören, dass sie seine Art sei, sich auszudrücken – noch vor der Sprache. Wie die Hörer das Ergebnis beurteilen, sei ihm grundsätzlich herzlich egal, so Funk. Allerdings räumte er ein, dass ihm „My Love Is A Bulldozer“ sehr viel bedeute, weil es sein Leben in den letzten Jahren widerspiegele, und dass er deshalb doch auf die Resonanz des Publikums reagiere – „unglücklicherweise“, wie er betonte.

Tatsächlich spiegelt sich diese Sensibilität auf der jüngsten Veröffentlichung stärker denn je in der Musik selbst wider. Aus dem Dickicht aus kruden Beats und scharfen Breaks ragen echte Emotionen hervor, fragmentarisch zwar, aber authentisch. Damit setzt Funk auch mehr als auf seinem vielleicht stärksten Album „Rossz Csillag Alatt Született“ von 2005 auf seine ureigenen Ideen. Wo sich Funk dort an den Werken großer Komponisten der Klassik und Moderne bediente und diese in seiner ganz eigenen Art zu einem Gesamtkunstwerk des 21. Jahrhunderts formte, folgt er bei „My Love Is A Bulldozer“ konsequenter seiner eigenen schöpferischen Inspiration. Der geschaffene Raum hierfür ist unglaublich komplex und düster. Wenn man auf dem jüngsten Album überhaupt so etwas wie einen Rahmen erkennen kann, dann den eines jazzigen Soundtracks, wandelnd zwischen der Welt von James Bond („10th Circle Of Winnipeg“) und Tom & Jerry („Amazon“); das Ganze natürlich bis zur Unkenntlichkeit zerhackstückt. Allerdings geben die langsamen „Deleted Poems“ und „Your Smiling Face“ bereits einen Hinweis darauf, dass sich zwischen dem Wahnsinn auch so etwas wie eine düstere Einkehr befindet, eine Entwicklung, die sich nach dem sehr komplexen Titelsong und dem darauf folgenden spacey Instrumental mit Anklängen an den 70er Ambient-Elektro („She Runs“) noch verstärkt.

Sicherlich sind es auch Songzeilen wie „Don't just walk away“ oder „I was born to kiss your smiling face“, die, aus Funks Mund höchstselbst kommend, sehr emotional wirken. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: „My Love Is A Bulldozer“ ist ein Album, an das es nahezu keine Annäherung gibt. Die brachialen Kehrtwenden zwischen Sounds und Rhythmen, die Funk nahezu sekundlich vollzieht, umhüllen den weichen Kern an fast jeder erdenklichen Stelle wie Stacheldraht. Es braucht Zeit und Geduld, um darin ein Muster und die Substanz des Ganzen zu erkennen – und vielleicht sogar so etwas wie einen Schimmer Schönheit zu erhaschen.

Mischa Karth

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