Rezension

Tweedy

Sukierae


Highlights: Nobody Dies Anymore // Summer Noon // New Moon
Genre: Folk // Songwriter // Americana
Sounds Like: Wilco // Loose Fur // Califone

VÖ: 12.09.2014

Es ist, als wollte der Oberkauz Jeff Tweedy all seinen Kritikern eine lange Nase zeigen. „Wilco sind langweiliger Dadrock“, so das Hauptargument gegen die Band, deren Sänger er ist. Kurzerhand macht er also eine Platte mit seinem 18-jährigen Sohn Spencer und benennt die Band nach ihrem gemeinsamen Nachnamen: Tweedy. Natürlich ist Tweedy (also, Jeff) die lange Nase total wurscht, und er macht wie immer einfach, wozu er Lust hat: Musik. Und die macht er einzig und allein deshalb, weil sie eben das ist, was er macht und liebt.

So schrieb er während der Pause seiner Hauptband eine gute Menge an Songs, die für eine Soloplatte bestimmt waren. Doch dies tat er zu Hause in Chicago, und so passierte es, dass stets sein im selben Haus wohnender Sohn dazu trommelte. Irgendwann war aus der Soloplatte eine gemeinsame Band geworden, der Name Tweedy naheliegend. So gibt Jeff Tweedy unabsichtlich dem Term „Dadrock“ seine ganz eigene ironische Wendung. „Sukierae“ heißt die Debütplatte der beiden, was der Spitzname der Frau beziehungsweise Mutter der beiden Bandmitglieder ist. Das wiederum beschreibt die tragische Tiefe, die der Entstehungsprozess der Platte auch in sich trug: Die gute Dame ist an Krebs erkrankt. Und die Familie, in der Musik natürlich eine große Rolle spielt, musiziert und schafft sich so einen Ausgleich in einer schwierigen Zeit.

Dieser Ausgleich birgt musikalisch natürlich keine Quantensprünge. Wo Tweedy draufgetaggt ist (siehe das Cover), ist eben auch Tweedy drin. Das bedeutet zurückgelehnte Musik in einem weiten Raum des Folk, Country oder Americana, klar erklingende Akustikgitarren und ein säuselnder, maunzender Jeff Tweedy. Wer das liebt, ist hier richtig aufgehoben. Die Platte ist simpler und zurückhaltender als das bisweilen avantgardistische Wilco-Material. Doch wer glaubt, Spencer könnte aufgrund seines jungen Alters gerade mal einen Takt halten, der irrt. Stets hat er das richtige Gefühl dafür, sich nicht in den Vordergrund zu spielen, sondern den Songs genau den Raum zu geben, den sie brauchen. Seinen mitunter jazzigen Stil bringt er genau auf den Punkt und muss sich alles andere als hinter seinem alten Herren verstecken. Dieser bewegt sich textlich wie immer in einem vagen Raum voller Metaphern, die vermeintlich wirkliche Bedeutung wird häufig verschleiert. Doch auf „Sukierae“ wird er häufig auch ungewöhnlich konkret. „You have always been certain // nearly all my life // one day I’ll be your burden // and you would be my wife // let me hang like a new moon // let me be your twin“ singt er in „New Moon“, dann „When you fall asleep // let me be what you’re dreaming for“. Persönliche Worte an die erkrankte Sukierae Tweedy. „Nobody Dies Anymore“, eines der tiefgehenden Highlights der Platte, wirkt in diesem Kontext fast wie ein Stoßgebet.

Als Doppelalbum ist „Sukierae“ mit zwanzig Songs ein wenig zu lang geraten – aber das hier ist auch weniger ein Album mit Veröffentlichungszweck als das Ergebnis eines Familienprojekts. Etwas, das Spencer und Jeff für sich gemacht haben – und für Sukierae. Wenn man Livevideos der beiden anschaut, kann man die Harmonie und Freude an der gemeinsamen Sache spüren. Und für ein paar richtig gute Songs ist Jeff Tweedy ohnehin immer zu haben. Wer an Wilco Freude hat, wird auch dieses heimelige Album mögen.

Daniel Waldhuber

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