Rezension

Trouble Over Tokyo

The Hurricane


Highlights: Flames Flicker // The Hurricane // Kryptonite // Sleepwalker
Genre: Pop // Indie
Sounds Like: Thom Yorke

VÖ: 18.03.2011

Manchmal ist das Leben höchstselbst zynisch. Dann zum Beispiel, wenn ein Künstler namens "Trouble Over Tokyo" ein Album mit dem Titel "The Hurricane" veröffentlicht – am 18. März, eine Woche, nachdem in Japan eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes losgebrochen ist.

Klar: Erdbeben, Tsunami, Atom-GAU – all das war natürlich nicht vorauszusehen, als Toph Taylor sein Album aufnahm. Doch an anderer Stelle schließt sich der Kreis wieder. "The Hurricane" ist ein Konzeptalbum über einen Superhelden. Und einen solchen könnte man dieser Tage auch in Japan gut gebrauchen.

Wer hat in seiner Kindheit nicht davon geträumt, unbesiegbar oder unsichtbar zu sein? Superman flog über die Leinwände, Spiderman krabbelte durch unzählige Comics und erst vor zwei Jahren demonstrierte Christopher Nolan mit "The Dark Knight", dass Superhelden noch immer für den Stoff sorgen, aus dem die Träume von Millionen von Menschen sind. Manchmal auch die Alpträume, denn die innere Zerrissenheit der Helden, nicht jedem Hilfsbedürftigen helfen zu können, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte.

Höchste Zeit, dass sich die Pop-Musik des Themas angenommen hat.

Und das auf ungemein charmante Weise. Der Brite Toph Taylor präsentiert seine Version der "Menschwerdung" eines Superhelden in einer Kombination aus Text und Musik. Der CD liegt ein 52-seitiges Buch bei. [Leider lag dieses der Redaktion nicht vor, weshalb lediglich die Musik beurteilt werden kann.] Chillig und nachdenklich, traurig und ermutigend zugleich klingt "The Hurricane". Es ist, als gewährte uns ein echter Superheld Einblicke in sein Seelenleben. Die sehr prosaischen und bildlichen Texte ergänzen den stimmigen Gesamteindruck. Dabei schimmert, wenn ganz konkret von Blut ("The Blood"), Kryptonit ("Kryptonite"), oder Blitzlichtern ("Flash Photographs") erzählt wird, auch eine tiefere Bedeutung durch. So sind die Momente im Leben eines Superhelden durchaus übertragbar auf uns Normalsterbliche – wie und wann, das bleibt dem Interpretationsspielraum des Einzelnen überlassen.

Der dichte klangliche Hintergrund entsteht aus einer Mischung von Akustik-Instrumenten (Klavier, Gitarre, Streicher) und digitalen Effekten, die sehr dosiert eingesetzt werden. Markant ist dabei der dezent treibende Rhythmus der Snare Drum. Über all dem steht die sehr hohe Stimme von Sänger Taylor. Er klingt wie Justin Timberlake, den man nochmal zur Kunsthochschule geschickt hat – minimale R'n'B-Anleihen inklusive. Dennoch ist die Stimme hervorragend geeignet, um die Verletzlichkeit, die "The Hurricane" durchzieht, zu unterstreichen. Eine der Stärken des Albums liegt auf der anderen Seite darin, an den entscheidenden Stellen auf genau diesen prägnanten Gesang zu verzichten, um die flächigen Hintergründe herauszustellen: Wo 8-Bit-Sounds auf Glockenspiele treffen und Klavier-Arpeggios Synthies kreuzen, da wird es interessant.

Da verzeiht man Taylor sogar den befremdlichen Einsatz eines Stimmenverzerrers à la Audiotune in "Pirouette". Denn ansonsten ist das Album durch und durch stimmig. Und wenn es schon keine Superhelden gibt, dann kann zumindest der Traum von ihnen ein kleines bisschen Trost spenden – was dieser Tage wirklich nötig ist.

Mischa Karth

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