Rezension

Treetop Flyers
Palomino
Highlights: 31 Years // St. Andrew’s Cross // Lady Luck
Genre: Folk-Rock // Psychedelic-Rock // Country // Blues
Sounds Like: Dawes // Fleet Foxes // Deer Tick
VÖ: 11.03.2016

Als unreflektierter, kommerzieller Radiohörer stellt man sich das Leben eines Musikers vielleicht tatsächlich immer noch vor wie in einem Nickelback-Song: Als eine nicht enden wollende Dauerparty mit leichten Mädchen und starken Drogen, als ein Leben in Saus und Braus, wo Geld keine Rolle spielt und wo Glück und Ruhm scheinbar unendliche Zustände sind. Allen anderen ist dagegen klar, dass ein derartiges Rockstarleben wenn überhaupt nur die absolute Ausnahme bleibt.
Auch die Londoner Folkrock-Band Treetop Flyers feierte in den letzten drei Jahren alles andere als eine Dauerparty. Denn statt ihr Leben nach ihrem durchaus erfolgreichen Debüt „The Mountain Moves“ zu genießen und sich über die durchweg positiven Kritiken zu ihrem Album und die stetig wachsende Fangemeinde zu freuen, musste sich die Band mit unzähligen persönlichen Tragödien auseinandersetzen: Scheidung, Todesfälle, Nahtoderfahrungen oder der Ausstieg von Bassist Matthew Starrit. Schicksalsschläge, an denen die Band am Ende fast zerbrochen wäre.
Doch die Liebe zu ihrer Musik und die Arbeit an einem neuen Album führte die restliche Band wieder zueinander und verhalf den Mitgliedern, ihre persönlichen und gemeinsamen Probleme zu verarbeiten. "We'd been through a lot individually and collectively. Coming together to make this record was very therapeutic for us, in a sense. It brought us closer and allowed us to let go of a lot of the bullshit that we'd had to endure and negotiate in the past," so Sänger Reid Morrison.
Und gerade dieses Zusammenrücken der Bandmitglieder ist es, was ihr neues Album „Palomino“ auszeichnet und ihm einen speziellen Sound verleiht. Nach und nach wurde eine Vielzahl neuer Instrumente, Pedals und Techniken ausprobiert und der bislang bekannte Folksound auf diese Weise gekonnt mit lockeren Westcoast-Sounds, Psychedelic-Rock, Country-Soul, Pop und Blues erweitert. Diese Vielzahl neuer Sounds verleiht dem Albums etwas Befreiendes und es ist deutlich hörbar, wie gut dieser abwechslungsreiche Sound der Band tut. Die Konstante bleibt dabei jedoch immer die soulige, melancholische Stimme von Sänger Reid Morrison, der mit erneut großartigem Songwriting auf besagte Schicksalsschläge eingeht. Der Upbeat-Opener des Albums „You, Darling You“ handelt von einer kaputten Ehe, in „31 Years“ geht es um den Tod eines guten Freundes, der während der Aufnahmen zu ihrem Debütalbum verstarb, und in „St Andrew’s Cross“ wird der Tod von Morrisons Vaters thematisiert.
Insgesamt also wahrlich harter Tobak, der “Palomino“ aber gerade deswegen zu einem genauso persönlichen wie ernsthaften und tiefgründigen Album macht und die Treetop Flyers nach dem vielen Kummer der Vergangenheit hoffentlich wieder ein wenig feiern lässt.
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