Rezension

Touché Amoré

Parting The Sea Between Brightness And Me


Highlights: ~ // The Great Repetition // Method Act // Home Away From Here
Genre: Hardcore // Old-School-Emo
Sounds Like: Minor Threat // Fucked Up // La Dispute // Title Fight

VÖ: 05.08.2011

In einem zynischen Moment könnte man sich fast schon fragen, wofür man überhaupt noch diese anstrengend zu lesende Literatur braucht. Man nehme das Thema Coming-of-Age: Hier könnte man sich, wie Dekaden genervter Schüler, die Tiraden eines Holden Caulfield im „Fänger im Roggen“ zu Gemüte führen, wenn man einen wegweisenden Vertreter kennenlernen möchte – man könnte das Ganze auch sehr viel schneller erledigen und sich von „Parting The Sea Between Brightness And Me“ von Touché Amoré umhauen lassen.

Sehr viel schneller sogar: Gerade einmal 20 Minuten liegen zwischen der ersten und der letzten Sekunde dieses Parforceritts durch alle Formen der Selbstzweifel – und doch bräuchte man schon eine überdurchschnittlich stämmige Körperstatur, wollte man sich jede Zeile, die es wert wäre, auf den eigenen Leib tätowieren lassen. Die Stelle direkt am Herzen hätte hier wahrscheinlich der komplette Text von „The Great Repetition“ verdient, in der Shouter Jeremy Bolm sich so ungewöhnliche wie unschöne Zauberkünste zuschreibt: And for my final act, I'll make everyone who loves me disappear – but I won't know how to bring them back.

Dass Inhalt und Verpackung bei solchen Texten Hand in Hand gehen müssen, versteht sich von selbst – und so nimmt man Bolms Shouts ihre Integrität auch zu jeder Sekunde ab, selbst dann, wenn sie in Kombination mit dem nur von einem Mollklavier getragenen „Condolences“ (das all diejenigen anspricht, denen die Musik auf einer Beerdigung wichtiger als deren Teilnehmer sind) zunächst etwas merkwürdig anmuten mag. Ansonsten scheinen Touché Amoré einer Zeit entsprungen, in der Begriffe wie Emo und Screamo noch nicht mit The Used und Bullet For My Valentine assoziiert wurden, dehnen diese Grenzen jedoch immer wieder aus: So ist das eröffnende „~“ klassischer (wenn auch gelegentlich mit einer Doublebass angereicherter) Punk und in „Sesame“ kann soviel Basssolo gestopft werden, wie in 66 Sekunden Songlänge noch vertretbar ist. Und wenn „Parting The Sea Between Brightness And Me“ dann mit den Worten for what it's worth, I'm sorry ausklingt, hat man wohl (trotz der Überambitioniertheit von Fucked Up) das Hardcorealbum des Jahres gehört – und kann dies dann in gerade einmal einer Drittelstunde noch einmal tun. Und danach dann gerne wieder zu überschätzten Romanen greifen.

Jan Martens

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Video zu "Home Away From Here":

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