Rezension

The Strokes

First Impressions Of Earth


Highlights: You Only Live Once // Razorblade // On The Other Side // Ask Me Anything // Electricityscape
Genre: Retro Rock // Indie-Rock
Sounds Like: Velvet Underground

VÖ: 30.12.2005

Es ist viel geschrieben worden über die Strokes in den letzten Wochen. So viel, dass sich ein unerträglicher Spannungszustand aufbaute zwischen einer gewissen Genervtheit von dem ganzen, jawohl, Hype und der Vorfreude auf das neue Album. Zu lesen gab es viel, von Überambitioniertheit, Enttäuschung über die ungewöhnliche Single „Juicebox“ mit der Action-Film-Bassline, von Metall-Einflüssen und Anleihen von Barry Manilows „Mandy“. Die Ohren waren also auf alles vorbereitet.

Um es kurz zu fassen: Wenn man die Welle, die „Is this it?“ damals auslöste mal außer Acht lässt und alle drei Strokes-Alben nebeneinander stellt, lässt sich eine gewagte Theorie aufstellen: „First Impressions of Earth“ ist vielleicht das bisher beste Strokes Album, auf jeden Fall aber das abwechslungsreichste. Man mag der Band vorwerfen, die Wirkung ihrer Songs genauso zu kalkulieren, zu verkopft, zu gewollt schludrig, zu streberhaft zu sein, aber wenn am Ende Songs wie das lässige „You only live once“ herauskommen, nehme ich all das gerne in Kauf. Die Strokes sind brilliant wie eh und je. War „Room on Fire“ jedoch noch stimmiges Gesamtwerk, dass eher durch seine Grundstimmung als durch einzelne Songs zu überzeugen wusste, so ist „First Impressions of Earth“ nicht mehr als ein zusammengeschusterter Haufen verschiedenster Songs. Aber was für Songs: Darüber, ob „Juicebox“ als Single klug gewählt war, lässt sich durchaus streiten, darüber, dass der Song dies durchaus verdient hat, nicht. Wie Julian Casablancas ungewohnt ambitioniert „Why won’t you come over here?“ herauspresst, durchdringt spätestens beim dritten Anlauf und setzt sich im Kopf fest. Sowieso ist das ganze sehr Strokes-untypisch und erweckt wiederum den Eindruck, dass hier viel zusammengeschustert klingt, was gar nicht zusammengeschustert ist, sondern genau durchdacht.

Ja, der Refrain von „Razorblade“ klingt tatsächlich wie „Mandy“, aber die Textzeile „My feelings are more important than yours“ enthält soviel Wahrheit, dass man den Strokes alles verzeiht. Der Song ist mehr Pop, als sich die Band jemals getraut hat, süß, aber nicht klebrig. Die Lyrics zählen zu den Besten der Alben, trotz oder gerade wegen des „Parental Advisory“-Aufklebers. „On the other side“ kehrt zurück zu strokesker Entspanntheit, Julian zeigt sich als missverstandener Junge mit einem Hang zum Selbsthass und niemals konnten wir Indie-Emo-Kids ihn besser verstehen. Obwohl die Strokes alles andere sind als herumlungernde Indie-Emo-Kids, sie stehen immer noch für durchdachte Arbeit. Man hört es dem Album an. Nicht das Kalkulierte, nicht das Bemühte, sondern wundervolle Melodien, die nicht nur roh auf Platte gebrannt wurden (ein Blick in Richtung Babyshambles), sondern die erprobt und verfeinert wurden. „First Impressions of Earth“ ist nicht nur ein Ausschnitt aus einer Phase, es ist vollendet und hätte nicht mehr besser werden können. Die Strokes hatten alle Zeit der Welt und die haben sie genutzt.

Natürlich werden wieder alle enttäuscht sein, enttäuscht darüber, dass wieder nicht die Durchschlagskraft von „Is this it?“ erreicht wurde. Aber um Himmels willen, was sollen die Strokes denn noch anders machen? Der Überraschungseffekt ist weg, weil die Band die Musik verändert hat. Nach „Room on Fire“ wurde mehr Veränderung gefordert, die Rede war davon, dass das Album „two steps forward and three steps back“ sei. Nun, nachdem „First Impressions of Earth“ eindeutig einen Wechsel zeigt, wirft man ihnen vor, die Veränderung würde Strokes-Fans vergraulen und sei allein auf die Produzenten zurückzuführen. Und wieder sind sie zu bemüht.

Ich sage: Die Strokes sind und bleiben die beste und wichtigste Band der letzten Jahre, zumindest für mich persönlich.

Lisa Krichel

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