Rezension
The Rural Alberta Advantage
Mended With Gold
Highlights: On The Rocks // Runenrs In The Night // ...On The Run
Genre: Indiepop // Folkpop
Sounds Like: The Weakerthans // Wilco // Blitzen Trapper
VÖ: 03.10.2014
Unserer heutigen Gesellschaft wird häufig nachgesagt, sie wäre zu oberflächlich. Die Menschen interessieren sich nur noch für erste Eindrücke, schnellen Erfolg und alles muss immer sofort zur Verfügung stehen, sonst entscheidet man sich eben für etwas anderes – oder jemand anderen. Und wehe, es funktioniert einmal etwas nicht so, wie es soll. Der Mitarbeiter muckt auf? Feuern und Ersatz einstellen. Die Hose ist kaputt? Macht nichts, bei Primark kostet eine neue nur ein paar Euro. In einer Welt, in der es einfacher ist, Dinge oder Beziehungen durch neue zu ersetzen, anstatt sie zu reparieren, haben The Rural Alberta Advantage ihr neues Album „Mended With Gold“ genannt und wagen den mutigen Schritt zu einer Platte, die einige Zeit braucht, bis sie ihre volle Wirkung entfalten kann.
Hinter dem Albumtitel steckt die Idee, dass man nur das richtige Know-how und ein wenig Zeit und Geduld braucht, um etwas zu flicken, das kaputt gegangen ist. Dann kann daraus etwas Neues entstehen, das dem Original in nichts nachsteht. Oder vielleicht wurde es durch die Reparatur noch verbessert, da durch die intensive Beschäftigung so viel Herzblut in die Angelegenheit geflossen ist. Ganz Ähnliches lässt sich in der Musik von The Rural Alberta Advantage entdecken: „Mended With Gold“ ist voller Lieder, die von Herzschmerz, Einsamkeit und Angst ausgehen, doch am Ende wird alles immer wieder gut. Dafür ist vor allem das Wechselspiel der beiden Vokalisten verantwortlich: Nils Edenloff kann mit seinem manchmal etwas quakigen Organ herrlich leidend singen und Amy Cole sorgt mit ihrer vollen Stimme dafür, dass die Hörer wissen, dass diese Leiden nur temporär sind. Diesen Kontrast sollten die Kanadier viel häufiger einsetzen, da er den Songs eine wunderbare Dynamik verleiht.
Auch der Aufbau des Albums ist vergleichbar mit einem Heilungsprozess. Die erste Hälfte vereint die ruhigeren Stücke wie „Terrified“ und „To Be Scared“ und repräsentiert somit die ersten zaghaften Versuche, sich den veränderten Gegebenheiten zu stellen, bevor mit „45/33“ der Umschwung kommt. Jetzt darf auch Schlagzeuger Paul Banwatt zeigen, was er kann. Die Instrumentierung kippt von Indiefolk Richtung Rock, bei dem es an allen Ecken und Enden selbstbewusst rumpelt und scheppert. Der Bann ist gebrochen, der Tag gerettet. „...On The Run“ schafft dann einen versöhnlichen Abschluss, der alle Stärken von The Rural Alberta Advantage vereint: Ein verträumtes Keyboard, ein treibendes Schlagzeug, der krachende Mittelteil und mehrstimmiger Folkgesang zum Dahinschmelzen dürften kein Auge trocken lassen. Schade, dass dies eine Ausnahme bleibt. Die Kanadier schaffen es zu selten, ihre Stärken zu bündeln und so für richtige Hits zu sorgen. Diese schlummern lange Zeit unter der Oberfläche und brauchen viele Durchläufe, bis sie sich aus ihrem Versteck wagen. So ist „Mended With Gold“ zwar ein tolles Album für triste Herbsttage, das ohne Frage sehr gut als Kitt für das angeschlagene Gemüt herhalten kann, aber man muss erst eine Menge Zeit investieren, bis es so weit ist. Wollen wir hoffen, dass sich die Hörer tatsächlich die Zeit nehmen, „Mended With Gold“ genau kennenzulernen und sie nicht, wenn sie nach einem Hördurchgang die Hits noch nicht entdeckt haben, durch einen schnelleren Kick ersetzen.
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