Rezension

The Pipettes

We Are The Pipettes


Highlights: Your Kisses Are Wasted On Me // Dirty Mind // A Winters Sky
Genre: 60's Soul // Doo- Wop
Sounds Like: The Supremes // The Shangi- La's // The Ronettes

VÖ: 11.08.2006

Briten-Hype im Umbruch! Während schnieke Anzüge neben formschönen Krawatten bereits wieder in der hintersten Ecke jedes Proberaums auf der Insel vermodern, soll Sixties-Soul nun die nächste große Nummer sein. Wem das New-Wave-Revival schon zu aufgesetzt war, der wird jetzt erst recht das blanke Kotzen bekommen. Denn: wie viel Klischee überhaupt geht, beweisen The Pipettes. Namentlich Beckie, Rose und Gwenno bilden die drei holden Schönheiten das buchstäbliche Gegenstück zu The Supremes – von der Hautfarbe mal abgesehen, versteht sich. Petticoats, Livechoreographie und die komplette Frisurenpalette von Doris Day. Alles vertreten, alles dabei.

Der Haken ist – wer will das denn wirklich noch hören? Die Musik der Pipettes klingt nämlich tatsächlich so alt, wie ihre Vorbilder heute sind. Der Promotext wirbt zwar mit einem „Punk-Ethos“, der im Album enthalten sein soll, aber der muss wohl irgendwo zwischen Pausen der einzelnen Songs verschollen gegangen sein. Davon gibt es auch reichlich, denn in schlanken 33 Minuten feuert man so eben 14 Songs raus. Gerade einmal ein einzelner Song knackt die Drei-Minuten-Schallmauer. Das verspricht viel Abwechslung, möchte man meinen, doch weit gefehlt! Songaufbau, -struktur und –ende unterscheiden sich nur marginal, sodass es mitunter nicht selten vorkommt, dass man sich fragt, wann der erste Song denn endlich fertig ist und bei einem Blick auf die Anzeige steht dann plötzlich eine Sieben auf der Songtitelanzeige.

Nichtsdestotrotz wirkt das nette Trio die ganze Zeit über zutiefst liebreizend, und alles schlecht zu reden wäre sicher ein großer Fehler. Neben den wirklich zauberhaften Stimmen schaffen sie es ja auch ab und an richtig mitzureißen. „Your Kisses Are Wasted On Me” oder “Dirty Mind” sind tatsächlich sogar waschechte Hits, bei denen Scharen an Indiegirlies ihre Röcke ein wenig höher anheben dürften als sonst. Ja, sogar eine ernstzunehmende Ballade haben die Mädels zustandegebracht. „A Winters Sky“ sticht durch die im Albumkontext ungewohnte Ernsthaftigkeit bei weitem heraus.

Das war es dann aber auch schon wieder. Der Rest dümpelt irgendwo zwischen Belanglosigkeit und Nervtöterei herum. Wer dann auch noch allen Ernstes seine Backing Band The Cassettes nennt, der verdient eigentlich John-Travolta-Gedächtnis-Koteletten und keine hochdotierten Musikpreisnominierungen. Viel heiße Luft um nichts also. Omas Klamotten dürfen vorerst im Schrank bleiben.

Benjamin Köhler

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