Rezension

The Hirsch Effekt

Holon : Hiberno


Highlights: Laxamentum // Vituperator
Genre: Art-Core
Sounds Like: At The Drive In // The Mars Volta // Refused // Blood Brothers

VÖ: 19.03.2010

The Hirsch Effekt haben sich 2008 gegründet, kommen aus Hannover, sind zu dritt und veröffentlichen mit "Holon: Hiberno" ihr Debüt. So viel zu den Facts. Beschreibt man nun den Sound der Band statt in Genregrenzen mit Bandreferenzen, werden vielerorts Musikfans hellhörig. The Mars Volta, At The Drive-In, Blood Brothers. Allein die Nennung dieser Namen in Verbindung mit einer deutschen Band aus dem oftmals als provinziell verschrienen Hannover mag nun für einige Gotteslästerung sein, bei anderen setzt sofort der Reflex „Kann ja gar nicht sein“ ein. Fakt ist: Das Trio bewegt sich auf interessantem Boden. Hinzu kommt noch der Faktor deutsche Texte, die für Muttersprachler aufgrund ihrer vermeintlichen Greifbarkeit und Eindeutigkeit gerade bei solch ambitionierter Musik nochmal extra Abzüge oder Punktgewinne geben können.

Was kann also "Holon: Hiberno"? Zunächst einmal Nerven. Allerdings im positiven Sinne: Das Album ist derart mit Effekten, Stil- und Tempowechseln überladen, dass es schwerfällt, die achtzehn Songs in einem Durchlauf anzuhören. Von daher sind die obigen Vergleiche schon passend, schließlich sind The Mars Volta auch nicht gerade dafür bekannt, leichte Kost zu servieren. Von Hardcoreansätzen bis Ambient- und Klaviereinspielern findet sich wirklich alles auf der Platte wieder, was extreme Stilwandlungen nach sich führen kann. Rein musikalisch bieten The Hirsch Effekt knapp eine Stunde maximale Überanstrengung, die in guten Momenten, wie dem brachialen „Vituperator“, wirklich den Referenzen das Wasser reichen kann, an schwachen Stellen jedoch merklich daran vorbeirauscht, ein Mindestmaß an Struktur einzubringen, welche einen nicht zeitweise abschalten lassen würde. Instrumentell ist "Holon: Hiberno" eine Herausforderung, der es sich wirklich zu stellen lohnt und die den Musikkosmos um einige Facetten bereichert. Aber: es gibt ein Aber. Das Aber sind der Gesang und die Lyrics.

Der Mix aus hohem Gekreische und cleanem Gesang an sich stellt den Hörer schon arg auf die Probe. Die dazugehörigen Lyrics zeugen von dem Versuch, die lateinisch anmutende Benennung der Songs auch in künstlerisch wertvolle Texte umzuwandeln. Damit umgeht die Band zwar jegliche Banalitätsvorwürfe, landet jedoch auf dem Level „übertriebener zusammenhangloser Kunstkram“. Ein Beispiel hierfür ist „Laxamentum“: „Und es reflektiert. Immer wieder. Wächst damit ins Bild. Immer wieder reibst du dein Gesicht und siehst zu, wie es zerbröckelt zu einem Ball in deinen Händen. Du siehst dabei zu. Du siehst dabei zu, wie es schrumpft zu was, das keinen interessiert…“. Würde das wirklich unnötige Gekreische nicht einen guten Teil der Musik überlagern, wäre "Holon: Hiberno" möglicherweise ein echtes Highlight des Jahres. So allerdings bleibt nur ein wohlwollendes Anerkennen der Leistung dafür, wie die Band mit Instrumenten umgehen kann und der Rat, es vielleicht in Gesangsfragen nochmal ein paar Stufen herunterzuschrauben.

Klaus Porst

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