Rezension

Superchunk

Majesty Shredding


Highlights: My Gap Feels Weird // Crossed Wires // Everything At Once
Genre: US-Indierock
Sounds Like: Archers Of Loaf // Sebadoh // Big Dipper

VÖ: 15.10.2010

Rezession! Trotz täglicher Aufschwungnachrichten und Durchhalteparolen herrscht natürlich immer noch Krise. Ja, uns jungen Leuten geht es dreckig. Und warum sollte der Wirtschaftskollaps gerade vor der Musikwelt Halt machen? Findige Journalisten haben längst die jüngste LoFi- und Homerecordingwelle als logische Konsequenz zugedrehter Geldhähne abgestempelt. Nun melden sich auch noch die DIY-Koryphäen Superchunk nach neunjährigem Dornröschenschlaf zurück. “Here’s Where The Strings Come In”? Gestrichen. “Here’s To Shutting Up”? Erst recht nicht: Hungrige Mäuler müssen trotzdem gestopft werden. Also zurück in die Zukunft. Zurück ins Jahr 1989.

Natürlich muss das Vorzeigelabel Merge Records der Superchunk-Leute nicht demnächst Konkurs anmelden, auch wenn ihr neues Album diesen Eindruck wecken könnte: “Majesty Shredding” klingt in jeglicher Hinsicht altmodisch, sogar altbacken. Das Schöne: Das ist hier als uneingeschränktes Kompliment zu werten. Superchunk führen den Weg konsequent fort, den sie auf ihrer Jubiläums-Ep “Leaves In The Gutter” eingeschlagen haben. Wollte die Band noch 2001 verkrampft Reife vortäuschen, macht “Majesty Shredding” seinem Namen alle Ehre: Hier scheppert und kracht es wie zu seligen “No Pocky For Kitty”-Zeiten.

Es wäre nun sinnlos, jeden einzelnen Song akribisch zu sezieren. Egal ob “Digging For Something” oder “Crossed Wires”, der Fan kriegt das, was er beim Einwerfen eines neuen Albums der Ikonen aus Chapel Hill erwartet. Die Superchunk-DNA ist längst entschlüsselt: Rumpelnde Gitarren, berstende Energie und ein McCaughan, der immer noch wie Anfang 20 klingt. Das hier ist schönster Teeniepunk, ohne Pennälerhumor und ohne stumpfe Politparolen. Das hier ist die Essenz des klassischen Indie-Rock.

Das rockt alles nett und manchmal ein bisschen gefällig vor sich hin, bis das Gewitter “Everything At Once” über den ahnungslosen Hörer hereinbricht: “So here’s a song about nothing and anything at once.” Superchunk wissen, dass die Leute am liebsten Lieder über Belanglosigkeiten hören. Und so, als wollten sie hier endgültig sämtliche Banalitätsvorwürfe zurückweisen, hat es dieser Song faustdick hinter den Ohren. “Everything At Once” ist der beste Superchunksong seit “Slack Motherfucker”, mindestens. Eine himmelhochjauchzende Endorphinpille, zu der sich Geschirrspüler von selbst ausräumen und die Wiederaufforstung des Regenwaldes wie eine beiläufige Sonntagnachmittagbeschäftigung anmutet. Ein Song, der jederzeit droht, an der eigenen Dringlichkeit zu zerbrechen, und es dann doch nicht tut. Und genau deswegen lieben wir Superchunk. Oder erinnert sich etwa jemand an “Florida’s On Fire”?

Yves Weber

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