Rezension

Spanish Love Songs

Schmaltz


Highlights: Buffalo Buffalo // Otis/Carl // The Boy Considers His Haircut
Genre: Punkrock
Sounds Like: The Gaslight Anthem // Hot Water Music // Muff Potter

VÖ: 30.03.2018

Klar, manche Zeiten des Lebens wünscht man sich gerne zurück: Die Grundschulzeit, als ein verhauenes Diktat oder die zu frühe Zubettgehzeit noch zu den größten Sorgen gehörten, oder die Teenagerjahre, in der man langsam den Drang nach Selbstbehauptung, dem anderen Geschlecht und Bier entdeckte. Aber die Mittzwanziger? Nope, nope, nope. Bis dann Spanish Love Songs daher kommen und eine ganz besondere Form von Herzschmerz verursachen.

Ziemlich genau vor zehn Jahren war es nämlich, dass The Gaslight Anthems „The '59 Sound“ für viele der perfekte Soundtrack der Quarterlife-Crisis geschrieben hatten: Verloren im Niemandsland zwischen Nostalgie nach der Jugend und Zukunftsangst, zwischen Datingfrust und dem Stalken der Exfreundinnen bei den gerade erst aufkommenden Social-Media-Portalen, und ganz allgemein das nagende Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit. The Gaslight Anthem gelang es, all diese Emotionen mit gefühlvollem Heartland Rock zu einem Quilt zu stricken, in den man sich trotz allem warm einwickeln konnte.

Mit ähnlichen Stoffen haben sich nun Spanish Love Songs aus L.A. an die Nadeln gesetzt, ohne es aber bei einem bloßen Imitat zu belassen: Dafür ist Dylan Slocums Stimme, allem unterschwelligem Whisky zum Trotz, zu gebrochen, fast weinerlich, dafür ist das zusätzliche Keyboard zu präsent, und dafür nimmt sich das kalifornische Quintett vor allem lange nicht ernst genug: Das sagt schon der Albumtitel „Schmaltz“, das zeigt der Fakt, dass der Take einfach drauf gelassen wird, auf dem Slocum die schnell gesungenen ersten Zeilen von „El Niño Considers His Failures“ verkackt und dass sich das lyrische Ich auf „The Boy Considers His Haircut“ tatsächlich nicht viel mehr als einen passenden Haarschnitt wünscht, der nicht schon von Nazis vereinnahmt wurde.

Dafür machen Spanish Love Songs sonst alles richtig, um der nächsten Generation von Mittzwanzigern die Hand auf die Schulter zu legen: Kraftvollen Indie-Punkrock, dem auch egal ist, wenn die Gesten nicht nur groß, sondern gigantisch sind („Buffalo Buffalo“), der kathartisch jede Art Schmerz von Liebeskummer hin zum Tod eines Freundes verarbeitet und der vor allem jeden. verdammten. Song eine Hymne, einen potentiellen Radiohit und ein Wundpflaster sein lässt – selbst die schrullige Lo-Fi-Akustikballade „Aloha To No One“, die das Album abschließt. Die zeigt dazu noch, dass sich „Schmaltz“ auch wunderbar auf die Wandergitarre reduzieren lässt. Setzen sich die jungen Leute eigentlich noch an Lagerfeuer? Zumindest für „Schmaltz“ sollten sie das.

Jan Martens

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