Rezension

Serj Tankian

Imperfect Harmonies


Highlights: Disowned Inc. // Borders Are... // Left Of Center
Genre: Rock
Sounds Like: System Of A Down // Faith No More

VÖ: 17.09.2010

Irgendwie ziemlich merkwürdige Vorstellung für alle, die System Of A Down einmal live gesehen haben: Ein Orchester auf der Bühne, das verzweifelt versucht, die rasanten Rhythmus- und Tempowechsel, Gitarrenstakkatos und Ausflüge in Polka, osteuropäische Musik und hastenichtgesehen mit klassischen Instrumenten zu begleiten, ohne dass es vollkommen bescheuert klingt. Für wen die Vorstellung aber anscheinend nie vollkommen abwegig war: Serj Tankian.

Der muss sich nach „Elect The Dead“, seinem im Vergleich zur Band deutlich glatt geschlifferenen Solodebüt, in etwa gedacht haben: Wenn die Klassik nicht zu diesem Metalgenremix kommt, muss er eben den Propheten spielen und besagten Metalgenremix zur Klassik schleppen. Der erste Ansatz in diese Richtung war die Live-Adaption „Elect The Dead Symphony“ mit Orchester, „Imperfect Harmonies“ geht einen Schritt weiter.

Immer häufiger stehen Streicher statt E-Gitarren, was – in Verbindung mit vermehrt eingesetzten akustischen und elektronischen Instrumenten – die Songs von „Imperfect Harmonies“ zwar mitnichten aus der Rockschublade wirft, aber der Wildheit, die System Of A Down stets ausmachte, absolut keinen Lebensraum mehr lässt. Solch ein Stilwechsel muss natürlich nichts Negatives sein, befremdet aber schon irgendwie, wenn Herr Tankian dennoch weiterhin parallel seine Gesangsweise (die ungefähr auf den Nenner „Entenhausener nach dem Stimmbruch“ gebracht werden kann) beibehält – was sich häufig mit dem eigentlich eher harmonischen Prinzip einer orchestralischen Untermalung beißt.

Denn leider muss irgendwie konstatiert werden: Serj Tankians eigentlich so unglaublich ausdrucksstarkes Organ ist nicht wirklich dafür erschaffen, inhaltsschwere Balladen wie „Yes It's Genocide“ vollzuknödeln, sondern vielmehr dafür, die in „Imperfect Harmonies“ weiterhin thematisierte Wut auf Ungerechtigkeit und politische Heuchelei mit ebenso viel Zorn auszudrücken. Und dies funktioniert eben kaum auf Songs wie „Beatus“, deren Musik beinahe schon die Ruhe von The Postal Service ausströmt, sondern eher zu den donnernden Drums des Openers „Disowned Inc.“ und der Aggression des orientalisch angehauchten „Left Of Center“. Diese sind aber eher die Ausnahme, wodurch „Imperfect Harmonies“ einen relativ halbgaren Eindruck hinterlässt. Der Prophet mag den Berg erreicht haben – ob er da so gut aufgehoben ist, ist die andere Frage.

Jan Martens

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