Rezension

Sea Wolf

Song Spells, No. 1: Cedarsmoke


Highlights: Ram's Head // Young Bodies // The Water's Wide // Whitewoods
Genre: Indie-Folk // Singer-Songwriter
Sounds Like: Neil Halstead // Nick Drake // Andrew Bird // Great Lake Swimmers

VÖ: 19.09.2014

Das Album mit dem leicht sperrigen Namen „Song Spells, No.1: Cedarsmoke“ fällt etwas aus der Reihe der bisherigen Veröffentlichungen von Sea Wolf. Es ist Teil einer Projektserie, in der die Band um Alex Brown Church innerhalb des begrenzten Zeitraums von vier Monaten ein Album schreibt, im Homerecording aufnimmt und selbst veröffentlicht. Die Song-Spells-Alben sollen zwischen den regulären Veröffentlichungen entstehen und der Band die Möglichkeit bieten, ihre Ideen „quick and dirty“ umzusetzen, ohne dabei auf die Anforderungen eines Labels eingehen zu müssen. Das Projekt wurde durch eine sehr erfolgreiche Kickstarter-Campagne angeschoben, weswegen Sea Wolf „Song Spells, No.1: Cedarsmoke“ nun auch als Geschenk an die Fans ansehen und es über die bandeigene Homepage zu einem frei wählbaren Preis zum Download anbieten. Sammler aufgepasst: die physischen Kopien (Vinyl und CD) des Albums sind äußerst streng limitiert und vorrangig für Unterstützer der Kickstarter-Campagne reserviert.

Nun könnte man davon ausgehen, dass dieses Album, mit dem sich eine Band die Kontrolle über ihr Schaffen von der Musikindustrie zurückholt, indem sie unabhängig arbeitet und keinem Label gegenüber verantwortlich ist, genutzt wurde, um hemmungslos zu experimentieren und auf ganz unkonventionelle Weise Neues auszuprobieren. Doch weit gefehlt! Vielmehr entwerfen Sea Wolf mit „Song Spells, No.1: Cedarsmoke“ ein, wenn auch verspieltes und vielschichtiges, so doch schon fast klassisches Folk-Album. Auch so kann eine Befreiung aussehen, die Befreiung vom permanenten Innovationsdruck und dem Verlangen eines künstlichen Marktes nach immer neuen Trends. Dabei entstand mit dem ersten Teil der Song-Spells-Reihe, die hoffentlich noch lange weitergeführt wird, ein durchaus gelungenes Album. Heimelig und schwelgerisch, dann aber auch wieder voller Reue und Melancholie.

Das schöne „The Water's Wide“ kann sich noch nicht so recht vom Spätsommer verabschieden, und doch scheint auf dem ganzen Album schon der Herbst in der Luft zu liegen. Wo andere Künstler den Ausbruch aus dem Alltäglichen ins Zentrum ihres Schaffens stellen, nehmen Sea Wolf eher eine fast schon biedermeierliche Position ein. Dabei wirken sie jedoch nie konservativ oder gar reaktionär – ganz im Gegenteil, ihre Politik der (Selbst-)Genügsamkeit übt implizite Kritik am Zustand der Welt: „It’s nothing that we haven’t seen before / But this morning it felt like a little more / Like the future is still wide open / And I can choose where I’m going / I don’t want to leave here now / Now that I found my legs somehow“. Wenig verwunderlich ist es da, dass „Song Spells, No.1: Cedarsmoke“ sich musikalisch am ehesten an das Debütalbum „Leaves In The River“ anlehnt. Nachdem auf dem Zweitwerk „White Water, White Bloom” vehement versucht wurde, eine Entwicklung seit den Anfangstagen der Band zu beweisen, besinnen sich Church und die Seinen nun auf ihre alten Stärken. In „Ram's Head“, das auf ein kurzes instrumentelles Intro folgt, scheint Church schon seine Mitte gefunden zu haben. Selbstbewusst und zufrieden singt er „Yesterday is over and tomorrow is near / but I just want to stay right here“ und klingt dabei wie eine Zen-Version von Nick Drake, der die Depression abhanden gekommen ist.

„Whatever You Say, Say Nothing“, dessen musikalischer Hintergrund aus dem Klang von Regen und Churchs zurückhaltendem Gitarrenspiel besteht, bildet die schwermütige Ausnahme von der Regel. Das Gros der zehn Stücke zeichnet sich allerdings durch eine unglaubliche Wärme aus, die gerade an den kalten, ungemütlichen oder auch traurigen Tagen besonders wohltuend ist. Dabei bleiben Themen wie Bedauern und Sehnsucht keineswegs außen vor, ihre Schwere wird lediglich von der Musik gemildert. Auch eine von Honig umflossene Bitterkeit bleibt letztlich bitter und doch kann gerade hierin eine eigenartige Schönheit liegen. Sea Wolf scheinen auf „Song Spells, No.1: Cedarsmoke“ selbstbewusst in sich zu ruhen und selbst im Moment des größten Kummers froh zu sein. Wer schon einmal an einem Herbstabend den sanften Duft verglimmenden Zedernholzes bewusst riechen konnte, kann sicher nachvollziehen, wieso dieses Album nicht anders betitelt werden konnte.

Christoph Herzog

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