Rezension

San Fermin

San Fermin


Highlights: Renaissance! // Casanova // Sonsick // Methuselah // Oh, Darling // Deadalus (What We Have)
Genre: orchestraler Pop
Sounds Like: Sufjan Stevens // The National // Nico Muhly // Antony And The Johnsons // Dirty Projectors

VÖ: 08.11.2013

Man mag zu San Fermin stehen, wie man will, dass es sich hier aber um ein unglaublich ambitioniertes Projekt handelt, kann der achtköpfigen Band aus Brooklyn keiner absprechen. Ins Leben gerufen wurde San Fermin von Ellis Ludwig-Leone, einem jungen Mann aus Brooklyn, der nach seinem abgeschlossenen Kompositionsstudium in Yale die Idee von einem orchestralen Konzeptalbum entwickelte und sich besessen von seiner Idee für sechs Wochen in einer Hütte irgendwo im kanadischen Gebirge verkroch und mit seinem fertig auskomponierten Opus wieder zurückkehrte. San Fermin ist also keine Band im klassischen Sinne, sondern eher eine Art Projektensemble für Ludwig-Leones Musik.

So interessant das alles auch klingen mag, fragt man sich dann doch etwas skeptisch, was einen hier erwartet. So viel vorweg: bei all den verrückten Ideen und recht verkopften Elementen, die einem Ellis Ludwig-Leone hier immer wieder zumutet, ist San Fermin in erster Linie Popmusik – und was für welche! Sicherlich ist dieses Album alles andere als gewöhnlich, doch die Stücke im Songgewand sind es, die es zusammenhalten und zu weitaus mehr machen als dem musikalischen Experiment eines jungen Komponisten.

Es ist schon spannend, welche Gegensätze das Debüt von San Fermin in sich vereint. Die wuchtigen, von Dissonanzen geprägten Brocken „The Count“ und „In Waiting“ und schon fast impressionistische Interludes wie „At Night, True Love“ teilen sich das Album mit Tracks wie dem eingängigen „Sonsick“ mit seinem ausgeklügelten Drumming und einem alles überstrahlenden Bläsersatz – einem der größten Hits, den dieses Jahr zu bieten hatte. Und dann gibt es da noch Songs wie die herzzerreißend schöne Ballade „Oh, Darling“, die einen mit ihrem cleveren Aufbau und dem perfekt inszenierten Wechselgesang jedes Mal aufs Neue packt und das melancholische "Methuselah", das ein weiteres Mal unterstreicht, was für brillante Vokalisten Ellis Ludwig-Leone mit Allen Tate und Rae Cassidy hier für die Umsetzung seines Projekts mit an Bord geholt hat.

Das Erstaunlichste an diesem Album ist wohl, dass es trotz seines enorm breiten Spektrums wie aus einem Guss wirkt und trotz der stattlichen Spielzeit von 55 Minuten in keinem Moment Langweile aufkommt oder der Spannungsbogen unterbrochen wird. Denn das Debüt von San Fermin ist gespickt mit großartigen opulenten Songs, die keineswegs manieriert wirken, sondern einen unmittelbar berühren – und das jedes Mal aufs Neue. Auch wenn die Referenzen hier nicht von der Hand zu weisen sind – Allen Tates Gesang erinnert sehr an The Nationals Matt Berninger und Ludwig-Leones Umgang mit Bläsern und Streichern lässt an Sufjan Stevens denken – etwas Vergleichbares hat man zumindest in diesem Jahr nicht gehört.

Kilian Braungart

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Video zu "Sonsick"
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