Rezension
Roky Erickson With Okkervil River
True Love Cast Out All Evil
Highlights: True Love Cast Out All Evil // Bring Back The Past // Please Judge
Genre: Blues // Singer/Songwriter // Psychedelic // Rock
Sounds Like: Johnny Cash // Bill Callahan // Grateful Dead
VÖ: 04.06.2010
Es ist eine lange Reise, das Leben des Roky Erickson. Ein Leben, das die Musik immer begleitet hat, mal mehr, mal weniger. Mit nur 15 Jahren schrieb Erickson den größten Hit seiner Band, den 13th Floor Elevators, "You're Gonna Miss Me", erschienen 1966. Diese Band war einst die erste, die sich selbst als psychedelisch bezeichnete – noch vor den legendären Grateful Dead. Psychedelische Ausmaße nahm auch Ericksons Leben an, aufgrund von Wahnvorstellungen und ausbrechender Schizophrenie löste sich die Band 1969 nach nur vier Jahren des Bestehens auf. Der Titel "You're Gonna Miss Me" trägt also durchaus einen tieferen Sinn, wenn auch wohl kaum beabsichtigt.
Über vier Jahrzehnte nach dem Auflösen dieser Band und vierzehn Jahre nach der letzten Veröffentlichung nahm sich nun Will Sheff, Kopf der wie Erickson aus Austin/Texas stammenden Indie-Folk-Formation Okkervil River, Rokys Schaffens an. Doch diese Rückkehr ist kein klassisches Comebackalbum mit neuen Songs: Aus über sechzig unveröffentlichten Stücken stellte Sheff ein Album voller Liebe, Hoffnung und Spiritualität zusammen, eine großartige Leistung. Er selbst sagt, diese Songs seien für ihn Ericksons beste. Seine Band begleitete die Aufnahmen musikalisch, interpretierte die Songs in angenehmer Leichtfüßigkeit.
Bewusst aus allen Etappen zusammengestellt, gibt dieses Album einen schönen Querschnitt durch Rokys Lebenswerk. Auch heute beginnt eine Roky-Erickson-Platte psychedelisch ("Devotional Number One"). Anders als sein Leben, welches früh Fahrt aufnahm, finden sich hier zunächst zwei ruhige Songs, bevor das Tempo zunimmt. Alle Facetten seiner Musik werden im Folgenden umrissen, es gibt Texas-Folk, der mühelos auf der Bühne eines Kleinstadt-Pubs in den Südstaaten funktionieren würde ("Ain't Blues Too Sad"), losgelösten Garage-Rock ("Bring Back The Past") und Bluesiges ("Forever"), stets mit psychedelischem Touch – und vor allem stets sehr herzlich vorgetragen.
Auch textlich funktioniert der Querschnitt, in "Please Judge" wettert Erickson gegen das System, welches ihn wegen ein paar Gramm Gras auf Jahre ins Gefängnis brachte, das wütende "John Lawman" schließt sich nahtlos an. In der dritten Nummer verabschiedet er sich von all den "Sweet Dreams", ersehnt gen Ende eines Lebens "Be And Bring Me Home", um zum letzten Song zu erkennen: "God Is Everywhere".
Doch nach allem, was Erickson erlebt hat, hat er es selbst geschafft, der Platte, die sein Leben umrandet, und damit auch seinem Leben, den perfekten Titel zu geben: "True Love Cast Out All Evil" – und Erickson hatte so einige innere Traumata zu besiegen, zum Glück hat die Liebe gesiegt. Heute ist er mit sich selbst im Reinen – so hat die lange Reise seines Lebens hoffentlich noch nicht ihr Ende erreicht. Auf dass Roky Erickson uns noch länger mit seiner altehrwürdigen, aufrichtigen Musik beehrt.
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