Rezension

Orenda Fink

Blue Dream


Highlights: Ace Of Cups // You Are A Mystery
Genre: Dream-Pop // Indie-Folk
Sounds Like: Goldfrapp // Sea Oleena // Azure Ray

VÖ: 29.08.2014

Der Grund für das Komponieren von Musik ist, wie in allen Kunstformen, vorrangig meist Selbstzweck. Musik als Sprache, zugehörige Texte als Spiegel der eigenen Gedankenwelt. Die Darstellung der einen umgebenden Umwelt aus individueller Perspektive geht dabei oft einher mit einer Positionierung der eigenen Person in der Welt – Kunst als Prozess der Selbstdefinition. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden in verschiedensten Formen präsentiert und unterscheiden sich oftmals am stärksten in ihrer Zugänglichkeit. Für Betrachtende sind dabei meist jene künstlerischen Darstellungen am spannendsten, die neben dem Offensichtlichen auch einen Raum für freie Interpretation bieten. Werke, bei denen nicht jede Regung schon benannt ist.

Für den Zugang zum neuen, dritten Album von Orenda Fink ist jedoch das Wissen um den Gefühlszustand und die konkrete persönliche Vorgeschichte der Künstlerin unerlässlich. In den vergangenen Jahren ist sie gemeinsam mit Maria Taylor hauptsächlich als Duo Azure Ray bekannt geworden, eins der Aushängeschilder des Saddle Creek Labels. Nach der letzten Azure-Ray-Veröffentlichung 2012 widmeten sich beide wieder der Arbeit an einer Solo-Platte.

Diese wurde bei Orenda durch den Tod ihres Hundes angestoßen, der sie zuvor 16 Jahre lang begleitet hatte. Das Gefühl von Verlust und die unmittelbare Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens führte sie zur Beschäftigung mit all den großen Themen: Leben & Tod, Bewusstsein & Unterbewusstsein, sowie der Grenze zwischen Traumwelt und Realität. Speziell die Beschäftigung mit der Traumdeutung und die Lektüre des Psychoanalytikers C.G. Jung ließen sie ein Album schreiben, das genau diesen Prozess nahezu 1:1 beschreibt, wie beispielhaft der Song „Holy Holy“ verdeutlicht: ”I lay in bed / collect all my dreams / then I pay / someone to read them to me / the simple ones are just as they seem / but open your eyes / and they say so much more.”

Bereits hier zeigt sich der unverblümte Ausdruck. Alle Texte wirken wie ein privates Gespräch, wie Antworten auf Fragen, die nach lang ersehntem Wiedersehen in vertrauter Atmosphäre bei einem Glas Rotwein gestellt werden können; Orenda lässt uns an all dem schonungslos teilhaben. Noch direkter wird es im Song „Poor Little Bear“, der ihrem Hund Wilson gewidmet ist: “My little bear / You can’t be lost / It isn’t fair” – “In the moonlight / In the daytime / I think of your name / My poor little bear”

Dass diese Zeilen vor Kitsch schon fast unangenehm auffallen, sei nicht weiter kommentiert. Die Intimität und der ständige, explizite Bezug auf die Lebenssituation der Künstlerin sind es, die das Hören auf Dauer zu einer Anstrengung werden lassen.

Weiter verstärkt wird dieses Empfinden durch die Instrumentierung und Produktionsweise. Alle Songs sind nach dem exakt gleichen Schema aufgebaut: Leichte Synthiemelodien, klare Gitarrenklänge, simpler Beat und darüber eine alles dominierende Stimme, die Orendas Gesang direkt bis in die letzten Windungen des Gehörgangs drängen lässt. Diese Struktur ist nach spätestens dem fünften Song klar, sodass das Album in der zweiten Hälfte nahezu jegliche Spannung verliert. Die Simplizität ist natürlich Kern des Dream-Pops, doch genau das macht das Format des Albums in diesem Genre so schwierig.

Viel eher hätte sich hier eine EP mit den ersten fünf Stücken des Albums empfohlen. Eine Reduktion auf die Kerngedanken. Es hätte ein kleines, privates Album werden können, das man in handgemachter Ausführung den engsten Freunden schickt und von diesen dann auch verstanden wird. All den eigenen Lebensinhalt und die existenziellen Fragen jedoch in zehn Liedern zur Schau zu stellen und als Album unkommentiert der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erträgt diese Kunst nur schwer.

Andreas Zimmermann

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"Ace Of Cups" im Stream
"Holy Holy" im Stream

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